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E-Mobilität

Und sie brummen doch

Bild: GLF Media/ Shutterstock.com

Es klingt wie ein Widerspruch: Elektromobilität und Geräuschemissionen – denken alle doch bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen an fast lautloses Dahingleiten. Dabei tragen sie mehr und mehr zur Geräuschkulisse im Straßenverkehr bei. Grund ist AVAS, das Acoustic Vehicle Alerting System, das nach einer Verordnung des Europäischen Parlaments seit Mitte 2019 für alle Typgenehmigungen von neuen Elektrofahrzeugen verpflichtend ist. Seit 1. Juli 2021 gilt die Geräusch-Pflicht auch für alle Neuwagen mit Elektro- und Hybridantrieb, unabhängig von ihrer Typgenehmigung. Doch lässt sich die Zahl der Unfälle mit schwächeren Verkehrsteilnehmenden dadurch wirklich reduzieren?

Seit Mitte des Jahres 2019 sind elektrisch betriebene Fahrzeuge (gemeint sind hier neben reinen Elektrofahrzeugen solche mit hybriden Antrieben sowie brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge) besser hörbar, lauter wird es dadurch auf den Straßen jedoch nicht. Die Geräusche ähneln denen eines Fahrzeugs mit herkömmlichem Verbrennungsmotor für den Moment des Anfahrens bis zu einer Geschwindigkeit von mindestens 20 Stundenkilometern sowie beim Rückwärtsfahren. In diesem Bereich ist ein Elektrofahrzeug ohne künstliche Geräuschkulisse fast lautlos und stellt damit ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für andere, nicht motorisierte Verkehrsteilnehmende dar. Bei Geschwindigkeiten jenseits von etwa 25 Stundenkilometer nehmen Geräusche durch Wind und Abrollen der Reifen zu, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb sind dann etwa gleich laut.

Gesetzliche Grundlage bildet die UN-Regelung Nr. 138 mit den „Einheitlichen Bestimmungen für die Genehmigung geräuscharmer Straßenfahrzeuge hinsichtlich ihrer verringerten Hörbarkeit“, so der genaue Titel. Die dort festgeschriebene Bandbreite der Geräusche liegt bei mindestens 50 Dezibel bei einer Prüfgeschwindigkeit von 10 Stundenkilometern beziehungsweise 56 Dezibel bei 20 Stundenkilometern, der maximale Wert darf 75 Dezibel nicht überschreiten. Der Schallpegel ist dabei abhängig von der Geschwindigkeit. „Wir sprechen von Lärmpegeln zwischen Radiomusik in Zimmerlaustärke einerseits und maximal einem Staubsauger oder eben einem Pkw mit Verbrennungsmotor“, erläutert Professor Wech, Experte im VDI-Fachbereich Kraftfahrzeugtechnik und Sprecher des Forschungs- und Testzentrums CARISSMA, dem neuen wissenschaftlichen Leitzentrum für Fahrzeugsicherheit in Deutschland. Als Mitglied der Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit beobachtet und begleitet er auch das Thema „Geräuschemissionen in der Elektromobilität“ seit einigen Jahren.

„Der Mensch hat sich daran gewöhnt, dass ein Auto brummt“

Schätzungen zu Folge trägt die Anzahl der Unfälle, die durch geräuschlose Elektromobilität verursacht wird, nicht signifikant zur Gesamtzahl der Verkehrsunfälle bei. Valide Aussagen aus Unfallstatistiken können allerdings derzeit noch nicht getroffen werden: zu wenige Unfälle mit beteiligten Elektrofahrzeugen sind bisher erfasst. Wech betont, wie wichtig es dennoch ist, gerade Kinder, ältere Menschen und die Gruppe der Blinden und Sehbehinderten vor dem erhöhten Unfallrisiko beim Anfahren, Abbiegen und Rückwärtsfahren zu schützen: „Der Mensch hat sich eben in über 100 Jahren dran gewöhnt, dass ein Auto vor dem Anfahren brummt“ - auch wenn es aus seiner Sicht bedauerlich ist, dass der Vorteil der fast lautlosen Elektromobilität gerade bei den geringeren, innerstädtischen Geschwindigkeiten dadurch wieder verlorengeht.

Der Vorteil der Geräuscharmut geht verloren, dafür erhöht sich die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer.

Prof. Dr.-Ing. Lothar Wech, Mitglied der Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit

Geräuschpflicht seit 2019

In Europa, Japan und den USA beispielsweise gelten Vorschriften zur Geräuschpflicht, in Europa seit 1. Juli 2019 für neue Fahrzeugtypen von Elektrofahrzeugen. Eine spätere Nachrüstung wäre technisch möglich, ist jedoch nicht verpflichtend. Genau zwei Jahre später, nämlich zum 1. Juli 2021 ist die Geräuschpflicht auch auf alle elektrisch betriebenen Neuwagen, unabhängig von der Typgenehmigung, ausgedehnt worden.
Die Geräusche werden von Sounddesignern entwickelt und müssen Rückschlüsse auf die Art des Fahrzeugs zulassen. Erzeugt werden sie elektronisch, als Hardware dienen kleine Lautsprecher, unsichtbar verbaut hinter den Stoßfängern oder im Motorraum. Im Innenraum sind die Geräusche dezent hörbar, ähnlich wie bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Acoustic Vehicle Alerting System, kurz AVAS, so der Name der künstlichen Geräuschkulisse, diefür Pkw, Wohnmobile, Busse und LKW vorgeschrieben ist. Zweiräder, wie Elektroroller oder Pedelecs sind von der Geräuschpflicht ausgenommen.

Schall gezielt abstrahlen

Im Rahmen der technischen Entwicklungen zum automatisierten und autonomen Fahren wird aktuell an Assistenzsystemen und Sensoren geforscht, die nicht motorisierte und damit schwächere Verkehrsteilnehmende erkennen, die dann gezielt beschallt werden könnten. Eine Geräuschbelästigung anderer, in der jeweiligen Situation nicht gefährdeter Verkehrsteilnehmenden würde damit entfallen. „Wenn das Fahrzeug die Fußgängerin oder den Fußgänger sicher erkennt und den Unfall immer vermeiden könnte, wäre das künstliche Geräusch dann sogar überflüssig“, erläutert Wech die Zukunftsvision, „aber so weit sind wir noch nicht“.

Prof. Dr.-Ing. Lothar Wech ist Professor an der Technischen Hochschule Ingolstadt, Fakultät Maschinenbau, sowie Sprecher des Forschungs- und Testzentrums CARISSMA, dem neuen wissenschaftlichen Leitzentrum für Fahrzeugsicherheit, Mitglied im Fachbeirat Kraftfahrzeugtechnik der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik und Mitglied der Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit – zuständig für die Sicherheit alternativer Antriebskonzepte

Autorin: Alice Quack

Ihr Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Christof Kerkhoff
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik
E-Mail-Adresse: kerkhoff@vdi.de

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