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Biodiversitätskonferenz

Biodiversität und Klimawandel

Bild Yusnizam Yusof/Shuttertsock.com

Vom 07. bis zum 19. Dezember 2022 findet in Montreal die 15. Weltbiodiversitätskonferenz (CBD COP15) statt. Welchen Mehrwert diese Konferenz auch für das Weltklima haben kann, erklärt Prof. Dr. Stefan Lötters im Interview. Denn intakte Ökosysteme sind wahre Klimaschützer und wirken der ökologischen Doppelkrise aus Erderwärmung und Artenverlust zeitgleich entgegen..

Momentan läuft in Montreal die 15. Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversitätskonvention, worum geht es?

Stefan Lötters: Die Biodiversität bezeichnet die Vielfalt des Lebens. Dazu gehören alle Arten von Tieren, Pilzen, Pflanzen, Bakterien usw., ebenso wie die Vielfalt der Lebensräume sowie die genetischen Besonderheiten der Lebewesen. Diese Vielfalt ist gefährdet. Es ist davon auszugehen, dass auf der Erde etwa 8,7 Millionen Arten existieren. Das ist zumindest die Zahl der Pflanzen und Tiere. Wenn andere Lebensformen dazu genommen werden, liegt die Zahl noch einmal um ein Vielfaches darüber. Vieles in Bezug auf die Biodiversität ist noch nicht bekannt und vieles ist noch nicht umfänglich verstanden. Was wir jedoch ohne jeden Zweifel wissen: Die Zahl der Arten geht derzeit drastisch zurück. Laut Weltnaturschutzorganisation IUCN und Weltbiodiversitätsrat IPBES sind alleine an Pflanzen und Tieren mindestens eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Etwa 150 bis 200 Arten verschwinden jeden Tag unwiederbringlich! 

Das sechste Massensterben der Arten verursacht der Mensch

Artensterben größeren Ausmaßes hat es immer gegeben, es tritt in Phasen auf. Ein bekanntes Beispiel ist das Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit. Derzeit durchlaufen wir ein sechstes Massensterben der Arten. Was diesmal anders ist – es ist nicht etwa ein Meteorit, der einschlägt, sondern es ist der Mensch in seinem ungleichen Hunger nach Ressourcen und der fehlenden Einsicht zur nachhaltigen Nutzung dieser! Eine gewisse Zahl verschwundener Arten kann die Erde verkraften. Aber irgendwann wird es so viel, dass Ökosysteme „kippen“ und auch der Mensch in seinem Dasein gefährdet ist. Das ist bald. Wir sägen am eigenen Ast. 

Die Probleme, die wir bereiten, sind vielfältig. Problem Nummer eins ist die Zerstörung der natürlichen Lebensräume. Aber auch der Klimawandel stellt eine Bedrohung dar. Wissenschaft, Naturschutz und Politik haben diese Problematik längst erkannt und sich beim Erdgipfel von Rio 1992 mit der Convention on Biological Diversity (CBD) den Erhalt und Schutz der Biodiversität auf die Fahnen geschrieben. Seither hat es mehr als ein Dutzend solcher Konferenzen gegeben – mit mäßigen Erfolgen. Die sogenannten Aichi-Ziele von 2010 sahen zum Beispiel 20 Kernziele zum Erhalt der Artenvielfalt bis 2020 vor, wovon keines umfänglich erreicht worden ist. 

Vom 07. bis zum 19. Dezember 2022 findet in Montreal die 15. weltweite Biodiversitätskonferenz statt (CBD COP15). Eines der angestrebten Ziele ist, 30 % der Land- und der Meeresoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen. Derzeit stehen 17 % der Land- und 7 % der Wasserflächen unter Schutz.

Wie stehen Biodiversitätskrise und Klimakrise zueinander?

Sie stellen zwei der größten globalen Probleme für unser Überleben dar und vielleicht noch nie dagewesene Herausforderungen für die Menschheit. Klimakrise und Biodiversitätskrise sind auf gleiche Weise menschengemacht und bedingen sich. Schaffen wir es, den Klimawandel zu minimieren, werden die Folgen für den Verlust der Biodiversität entsprechend weniger stark spürbar sein. Retten wir die Natur, schützen wir nicht nur Biodiversität, sondern auch das Klima. Die Lösung für beide Probleme geht somit Hand in Hand. Ganz einfach: Naturbasiert. Nur zwei Beispiele dazu.

Tropische Regenwälder: Sie beherbergen nicht nur einen Großteil der biologischen Vielfalt, sondern sie sind entscheidende Klimamacher. Wenn sie intakt sind, leisten sie einen erheblichen Beitrag zu einem stabilen globalen Wasserhaushalt. Mit dem Schutz der Regewälder leisten wir sowohl einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität als auch zum Klimaschutz.

Moore: Sie machen weltweit nur 4 Millionen Quadratkilometer aus und speichern ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs. Moore stellen somit einen wichtigen Speicher für das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) dar. Zugleich sind sie Lebensraum vieler, nur dort lebender Pflanzen und Tiere. Schaffen wir es, unsere Moore zu schützen bzw. wiederherzustellen, um das Problem der Erderwärmung abzumildern, profitiert auch die Biodiversität.

Gewinner und Verlierer des Klimawandels

Welche Auswirkungen hätte eine Überschreitung des im Pariser Übereinkommen formulierten Klimaziels, die durchschnittlich globale Temperaturerhöhung auf 1,5° Celsius zu begrenzen, auf die Biodiversität?

Das ist eine zentrale Frage, die aber nicht so leicht zu beantworten ist. Wird das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht, ist mit Veränderungen zu rechnen, an die sich die Biodiversität mitunter nicht anpassen kann. Derartige Veränderungen werden jedoch bereits seit vielen Jahren beobachtet, sie dürften sich aber bei zunehmender Erderwärmung weiter potenzieren. Im schlimmsten Fall führt dies zum Aussterben von Tieren und Pflanzen!

Betrachten wir beispielsweise Amphibien. Wegen der gesteigerten Häufigkeit von Extremwettereignissen und zunehmender Klimaanomalien können diese Tiere Probleme bekommen. Dürre führt dazu, dass Reproduktionsgewässer austrocknen und die gesamte Brut eines Jahres nicht überlebt. Passiert dies in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, kann es „eng“ werden. Das beobachten wir beim Laubfrosch (Hyla arborea). Ähnlich ist es mit Starkregen. Ein derartiges Wetterextrem kann dafür sorgen, dass die gesamten Nachkommen des Feuersalamanders (Salamandra salamandra), die sich als Larven in kleinen Fließgewässern entwickeln, weggespült werden. Sie sind dann verloren. Klimastress führt zudem dazu, dass Amphibien anfälliger sind für sich ausbreitende Infektionskrankheiten.

Man spricht jedoch auch von „Gewinnern“ des Klimawandels. Dazu zählen bei uns zum Beispiel nicht-heimische Tiere und Pflanzen wärmerer Regionen, die sich bei uns etablieren können. Inzwischen gibt es bei uns immer häufiger die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), ein effizienter Überträger verschiedenster Viren auf den Menschen. Sie wird sich bei uns weiter ausbreiten. Das Brasilianische Tausendblatt (Myriophyllum aquaticum) aus Südamerika, als Aquarienpflanze auch unter dem Namen Papageifeder bekannt, breitet sich in Europa in der Natur an Standorten mit mildem Klima aus. Sie profitiert von den inzwischen milderen Wintern und ist sogar schon in Deutschland lokal etabliert.

Man könnte schließen: Schön, haben wir also mehr Biodiversität!? Nein. Denn derartige Neozoen und Neophyten stellen potenziell immer eine Gefahr für die heimische Flora und Fauna dar, die verdrängt werden könnte. Denn sie können gegenüber den natürlicherweise vorkommenden Arten einen Vorteil aufweisen und diese verdrängen. Die Ausbreitung gebietsfremder Arten führt letztlich dazu, dass Landschaften weniger (bio)divers sind.

Städtische Regionen als Lebensraum

Welchen Beitrag leistet die Anpassung an den Klimawandel zum Erhalt der Biodiversität?

Wir müssen versuchen, den Klimastress, den die Arten haben, aufzufangen. Und zwar, indem wir den Pflanzen und Tieren ansonsten möglichst gute Bedingungen gewähren. Unsere Landschaften sind Kulturlandschaften. In der Vergangenheit wurden sie häufig so geplant, dass sie möglichst ökonomisch effizient sind. Ein Stichwort hierzu lautet Monokulturen. Wir haben jedoch erkannt, dass beispielsweise ganze Wälder aus nur einer Baumart, wie der Fichte, unter dem Klimawandel keinen Bestand haben. Wir sollten auf verschiedene Baumarten setzen, sodass der Wald in Zukunft weiter zum Temperatur-, Wasser- und Lufthaushalt beitragen kann. Eine größere Vielfalt bei den Bäumen bedeutet auch eine größere Vielzahl anderer Arten in den Ökosystemen.

Gute Bedingungen lassen sich jedoch nicht nur durch eine Anpassung ländlicher Lebensräume erzeugen. Auch in urbanen und vor allem städtischen Regionen ist eine „Grüne Infrastruktur“ nicht nur von Vorteil als Anpassung an den Klimawandel, sondern sie bietet zugleich auch Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Bei der Anpassung der Landschaft an das Klima der Zukunft zählt auch die Schaffung von Korridoren, in denen sich Arten eigenständig von Standorten mit (aufgrund des Klimawandels) ungünstigeren Bedingungen zu Standorten mit günstigeren Bedingungen ausbreiten können. Das kann zum Beispiel eine Hanglage sein, wo Arten an höhere oder weniger stark von der Sonne beschienen Standorte ausweichen.

Warum ist die Konferenz in Montreal so wichtig, was erwarten Sie davon?

Wir haben das „zwei Minuten vor Zwölf“ längst überschritten. Seit dem ersten Erdgipfel zur Biodiversität in Rio 1992 haben wir nicht wirklich viel erreicht, zumindest deutlich weniger als nötig. Problem Nummer eins ist dabei die Zerstörung und Übernutzung der Lebensräume. Mittelfristig gewinnt der Klimawandel mehr und mehr an Bedeutung. Gerade jetzt müssen global Maßnahmen beschlossen werden, die menschgemachten Treiber des Artensterbens deutlich „biodiversitätsfreundlicher“ zu gestalten. Dazu zählen Fischerei, Waldnutzung und Landwirtschaft, aber auch Verkehr, Industrie und Bergbau.

Eine wichtige konkrete Maßnahme ist, die Zahl der Schutzgebiete zu vergrößern, und diese so anzulegen, dass unter dem Klimawandel Pflanzen und Tiere in solche Gebiete einwandern können, in denen sie überleben können. Zu einem umfassenden Schutz der Biodiversität gehört aber auch, mehr Nachhaltigkeit, weniger Verkehr und Transport, weniger Umweltverschmutzung, weniger Armut. Zudem muss ein Umdenken erfolgen. Wir müssen anfangen, den intrinsischen Wert der Biodiversität zu sehen und zu verstehen, wie die Dinge auf lange Sicht miteinander zusammenhängen. Wir müssen aufhören, kurzfristig und rein ökonomisch zu denken.

Interview: Catharina Fröhling und Johanna Vondran

Prof. Dr. Stefan Lötters, Universität Trier, stellvertretender Vorsitzender des TLS-Fachbeirats Biodiversität, GVO-Monitoring und Risikomanagement 

Ansprechpartnerin im VDI:
Dr. rer. nat. Ljuba Woppowa
VDI-Fachbereich Biodiversität, GVO-Monitoring und Risikomanagement
Telefon: +49 211 6214-314
E-Mail-Adresse: biodiversitaet@vdi.de

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