Wasser, Klima, Unternehmen
Wasser ist ein selbstverständlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Als Lebensmittel, zur täglichen Körperpflege, als Reinigungsmedium, sowie zur willkommenen Abkühlung im Sommer und der Pflege des heimischen Gartens. Ob es regnet oder nicht, bestimmt wie wir unseren Tagesablauf planen: ob wir aus dem Hause gehen oder lieber zuhause bleiben, ob wir das Fahrrad oder das Auto nutzen, oder wie wir unsere Freizeit gestalten.
Weniger im persönlichen Bewusstsein, aber in ähnlich starker Weise beeinflusst Wasser Unternehmen:
- als Roh- und Einsatzstoff in der Produktion und in Kraftwerken,
- zur Kühlung in Produktionsanlagen,
- zur Entsorgung von Abwässern und
- als Transportweg.
Wasser hat einen direkten Einfluss auf operative Prozesse in Produktion, Logistik und Bauwesen. Unternehmen haben ihre Infrastrukturen, betriebliche Anlagen und Gebäude sowie Produktions- und Logistikprozesse auf die „übliche“ Verfügbarkeit ausgelegt. Im Gegensatz zur Gewohnheit im persönlichen Umfeld sind Normen, Kennzahlen und Referenzdaten für Unternehmen hier notwendige objektive Basis für operative, planerische und strategische Entscheidungen.
Die regionale Verteilung von Wasser in seinen verschiedenen Aggregatszuständen ist Kernelement der Meteorologie. Unser Klima, also das langjährige statistische Mittel der meteorologischen Kenngrößen, ist die gewohnte Grundlage unseres persönlichen Verhaltens und statistische Referenz für unternehmerische Prozesse und von Normen.
#KlimaanpassungInBlau
„Wasser bedeutet Leben“ und muss so auch zwingend im Rahmen der Anpassung an den Klimawandel berücksichtigt werden. Trinkwasser sichert unser Überleben und gleichzeitig müssen wir uns im Falle von Starkregenereignissen und dem steigenden Meeresspiegel vor der Gewalt des Wassers schützen. Insgesamt leisten blaue Strukturelemente in verschiedenen Formen einen entscheidenden Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel. Im Rahmen unserer Themenwochen #KlimaanpassungInBlau möchten wir uns daher der blauen Infrastruktur in all ihren Facetten widmen und das Thema Wasser intensiv beleuchten.
Die saisonale Regenverteilung ändert sich
Im Zuge der Klimaerwärmung verändert sich die regionale und saisonale Verfügbarkeit und Verteilung von Wasser. Die Ergebnisse der Klimamodelle zeigen für die Zukunft in Mitteleuropa erhöhte Niederschlagsmengen im Winter und häufigere sommerliche Trockenphasen1). Die Auswirkungen dieser veränderten saisonalen Niederschlagsmuster manifestieren sich in einer zunehmenden Eintrittswahrscheinlichkeit von Extremereignissen am Rande der bisherigen Erfahrungs- und Referenzwerte2):
- Dürren,
- Niedrigwasser,
- Starkregen und
- Hochwasser
Die vergangenen Jahre mit einer außergewöhnlich langanhaltenden und verbreiteten Dürre in Europa sowie die teils verheerenden Auswirkungen der extremen Starkregenfälle und Flusshochwässer sind hierbei Vorboten dieser Veränderungen3)4).
Für Unternehmen ergeben sich aus der zunehmenden Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse unmittelbar Risiken:
- Produktionsunterbrechungen infolge von gestörten Logistikketten,
- verminderter Kühl- und Nutzwasserverfügbarkeit aufgrund niedriger Wasserstände und erhöhter Wassertemperaturen,
- mögliche Schäden an Infrastruktur und Betrieben durch Hochwasser und Starkregen.
Um diesen Risiken zu begegnen, bedarf es nach dem aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarat IPCC5) einer klimaresilienten Entwicklung, die einen ambitionierten Klimaschutz mit Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel vereint.
Herausforderungen in der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen
Unternehmen stehen bei der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel vor besonderen Herausforderungen.
- Strategisch muss sichergestellt sein, dass Anpassungsmaßnahmen nicht das vorrangige Ziel eines ambitionierten Klimaschutzes in Frage stellen.
- Ökonomisch passen Klimarisiken, welche sich über teils Dekaden langsam manifestieren, nicht zu bisher bewährten zeitlichen Horizonten von meist wenigen Jahren des betrieblichen Risikomanagements und wirtschaftlicher Bewertungszeiträume.
- Technisch müssen lokale und betriebsrelevante meteorologische Referenzdaten und Kennzahlen für die Zukunft verfügbar sein oder regelmäßige Aktualisierungen in Normen die Änderungen bereits berücksichtigen.
- Praktisch sind Unternehmen bei der Minderung von Risiken mit Fokus auf z.B. Energieversorgung, Logistik und Hochwasserschutz auch lokal und überregional auf die Zusammenarbeit und Unterstützung durch Kommunen und Infrastrukturverantwortliche angewiesen.
Eine zunehmende Anzahl von Unternehmen und Konzernen, welche über ihre Aktivitäten zum Management von Klimafolgenrisiken in Nachhaltigkeits-Ratings (Beispiel CDP) und in ihren Geschäftsberichten (z.B. auf Basis freiwilliger Selbstverpflichtungen zu internationalen Standards wie TCFD) berichten, zeigt, dass trotz aller Herausforderungen eine schrittweise Integration und Umsetzung von Managementprozessen zur Anpassung an Klimawandelfolgen in den Unternehmen erfolgt. Treibkraft dieser Veränderungen in den Unternehmen ist nicht zuletzt ein stark ansteigender Bedarf nach einer transparenten Bewertung von Klimafolgenrisiken durch den Finanzmarkt. Vorhandene und kommende gesetzliche Verpflichtungen (z.B. EU-Taxonomie und ESRS) zur Berichterstattung von Klimafolgenrisiken schaffen einen weiteren Rahmen für das Management von Klimarisiken in Unternehmen .
Carbon Disclosure Project
Non-Profit Organisation, welche Daten zu Klimaschutz und Klimaanpassung auf freiwilliger Basis von Unternehmen erhebt und bewertet
Task Force on Climate-related Financial Disclosures
Initiative aus dem Finanzsektor, welche konkrete Standards zur Berichterstattung von Klimarisiken für Unternehmen empfiehlt
Durch die EU-Taxonomie sollen private Investitionen in Tätigkeiten gelenkt werden, die notwendig sind, um Klimaneutralität zu erreichen6).
European Sustainability Reporting Standards7)
Zentrale Rolle der Meteorologie
Bei der technischen Beurteilung von Klimafolgenrisiken und der praktischen Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen kommt der Meteorologie durch die Bereitstellung der klimatischen Kenngrößen eine zentrale Rolle zu. Meteorologische Klimamodelle haben ihren Schwerpunkt auf der Bereitstellung von Daten für einen naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und nur nachgelagert auf der Ableitung spezifischer, meteorologischer Kenngrößen lokal für einen Standort. Es bedarf daher weiterer Schritte zur Lokalisierung der Ergebnisse und Berechnung der benötigten klimatischen Kenngrößen. Bei Fragestellungen rund um wasserbezogene Kenngrößen wie Wasserstände, Oberflächenabflüsse oder Wassertemperaturen müssen nachgelagerte hydrologische Modelle angewandt werden.
Unternehmen sind hierbei auf Partner und Fachexperten aus Behörden, öffentlichen Instituten oder privatwirtschaftlichen Klimaservicedienstleistern als Schnittstelle zur Klimawissenschaft angewiesen. In Deutschland wurde im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) der Basisdienst „Klima und Wasser“8) etabliert, der Unternehmen mit Beratung und Daten zielgerichtete Informationen und klimatische Kenngrößen bereitstellt. Ein Beispiel sind Klimaprojektionen, die objektiv die Länge und Intensität von Niedrigwasserphasen an den logistisch relevanten Pegeln der Bundeswasserstrassen bewerten. Unternehmen wird somit ermöglicht, die Risiken einer Unterbrechung von Logistikketten durch Niedrigwasser abzuschätzen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten.
Beispiele für den Umgang mit wasserbezogenen Risiken
Mögliche Anpassungsmaßnahmen von Unternehmen in Bezug auf Niedrigwasser sind die Flexibilisierung der Logistikwege und der verfügbaren Lieferanten sowie der Ausbau von Lagerkapazitäten, um Produktionsunterbrechungen bei Niedrigwasser zu vermeiden. Effektiv können Risiken für die Logistik nur durch übergreifende Ansätze und Maßnahmen begegnet werden. Die gemeinsame Erklärung des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur und Vertretern der Stahl-, Chemie- und Mineralölindustrie und des Binnenschifffahrtsgewerbes zur Sicherstellung zuverlässig kalkulierbarer Transportbedingungen am Rhein im Rahmen des Aktionsplans „Niedrigwasser Rhein“9) im Jahr 2019 ist hier praktisches Beispiel.
Treten Dürren und Hitzewellen gemeinsam auf, ergeben sich zusätzliche Auswirkungen im Speziellen auf die Energie- und Großindustrie infolge hoher Wassertemperaturen. Zum einen durch eine technisch stark verminderte Kühlleistung des wärmeren Wassers und zum anderen durch eine notwendige Reduzierung der Wärmeeinträge in die Gewässer, um deren ökologischen Zustand in diesen Extremlagen zu schützen. Beispiel für eine klimaresiliente Entwicklung ist hierbei der Umstieg von konventionellen Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken auf erneuerbare Energien und die dadurch deutlich reduzierten Einträge von Abwärme in Fließgewässer. In Fällen, in denen Wasser zur Kühlung in der Produktion benötigt wird, z.B. in der chemischen Industrie, sind der Ausbau von Rück- und Kreislaufkühlung mögliche Anpassungsmaßnahmen. Auch hier bieten sich Möglichkeiten einer klimaresilienten Entwicklung durch die Nutzung der Abwärme des genutzten Kühlwassers in der Produktion, wie zum Beispiel der geplante Bau einer der weltgrößten Wärmepumpen10) am Hauptwerk des Chemieunternehmens BASF in Ludwigshafen zeigt.
Häufigkeit von Starkregen steigt
Starkregen und Flusshochwasser bergen Gefahren für Gebäude, Betriebe und Menschen durch Wassereintritt, Strömungen, Staudruck und Treibgut. Die Änderungen der Intensität und Häufigkeit von Starkregen im Zuge des Klimawandels mit Klimamodellen zu projizieren und mit Messungen statistisch robust zu erfassen, ist aufgrund der zeitlich und räumlich sehr eingegrenzten Ereignisse noch Gegenstand aktueller Forschung. Eine grundsätzliche Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Starkregen aufgrund des steigenden Wassergehalts der Luft und einem erhöhten Anteil von Schauern und Gewittern am Gesamtniederschlag bei steigenden Temperaturen gilt jedoch als wahrscheinlich11).
Im Gegensatz zu ökonomischen Risiken durch vermehrte Betriebsunterbrechungen in Folge des Klimawandels, ist die Anpassung in Bezug auf Starkregen und Hochwasser aufgrund der möglichen Gefährdungen gesetzlich geregelt. Beispiele sind eine regelmäßige verpflichtende Aktualisierung von Hochwassergefahrenkarten durch die Länder und entsprechende Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes, sowie ein vorgeschriebener Klimawandelfaktor in den Technischen Regeln zur Anlagensicherheit (TRAS310 12)). Hochwasser hat oft einen überregionalen Charakter. Anpassungsmaßnahmen an Änderungen im Zuge des Klimawandels müssen daher überregional und unter Einbeziehung der regionalen Akteure aus Kommunen, Unternehmen und Gesellschaft erfolgen. Die in vielen Regionen Deutschlands etablierten Hochwasserpartnerschaften sind hier konkrete Umsetzungsbeispiele.
Autor: Dr. Max Bangert, Umweltmonitoring, BASF SE, stellvertretender Vorsitzender des Fachbeirats Umweltmeteorologie und Mitglied in mehreren Gremien im Fachbereich Umweltmeteorologie.
Ansprechpartnerin im VDI:
Dr. rer. nat. Julia Nickel-Kuhn
KRdL-Fachbereich Umweltmeteorologie
E-Mail: nickel-kuhn@vdi.de
Quellen:
1) IPCC WG1 AR6 regional Atlas
2) Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (umweltbundesamt.de)
3) www.worldweatherattribution.org/wp-content/uploads/Scientific-report-Western-Europe-floods-2021-attribution.pdf
4) https://www.worldweatherattribution.org/wp-content/uploads/WCE-NH-drought-scientific-report.pdf
5) Klimawandel 2022 – Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit (de-ipcc.de)
6) https://finance.ec.europa.eu/regulation-and-supervision/financial-services-legislation/implementing-and-delegated-acts/taxonomy-regulation_de
7) https://www.efrag.org/lab6?AspxAutoDetectCookieSupport=1
8) https://www.das-basisdienst.de/DAS-Basisdienst/DE/home/home_node.html
9) BMDV - Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“ für zuverlässigen Transport (bund.de)
10) BASF und MAN Energy Solutions vereinbaren Zusammenarbeit für den Bau einer der weltgrößten Wärmepumpen in Ludwigshafen
11) Nationaler Klimareport (dwd.de)
12) TRAS310