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Tag des Waldes

Der Umbau des Waldes zur Anpassung an den Klimawandel

Bild: Laloriel Photography/Shutterstock.com

Waldökosysteme entwickeln sich über lange Zeiträume. Das gilt auch für ihre Fähigkeit, sich an veränderte Umgebungsbedingungen anzupassen. Je deutlicher sich Auswirkungen des Klimawandels wie Hitze, Trockenheit und Dürre sowie Starkregenereignisse zeigen, umso drängender daher der Bedarf, frühzeitig Maßnahmen zur Klimaanpassung zu ergreifen. Im Rahmen unserer Reihe #KlimaanpassungInBlau widmen wir uns dem Wald, dessen Böden der größte Süßwasserspeicher in Deutschland sind.

Prof. Dr. Hartmut Kenneweg ist nach Beendigung seiner Tätigkeit als Hochschullehrer an den Universitäten Göttingen (Forstwissenschaften) und TU Berlin (Landschaftsplanung) heute als wissenschaftlicher Berater im Potsdamer Planungsbüro LUP – Luftbild Umwelt Planung GmbH tätig. Er erarbeitet mit weiteren Expertinnen und Experten Konzepte zur Klimaanpassung, um den Wald als Lebens- und Erholungsraum, aber auch für die Forstwirtschaft zukunftsfähig zu machen. 

VDI: Herr Professor Kenneweg, warum bedarf es überhaupt Konzepte zur Klimaanpassung?

Hartmut Kenneweg: Für die meisten deutschen Regionen ist schon jetzt erkennbar, dass bisherige Hauptbaumarten bedingt durch den Klimawandel dauerhaft ausfallen werden. Betroffen ist vor allem die wichtigste und auf dem Holzmarkt am stärksten nachgefragte Baumart Fichte – oft als „Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft“ bezeichnet. Aber auch die zweitwichtigste Baumart, die Buche, ist sehr stark bedroht. Es kann sein, dass sie nicht ausstirbt. Aber wahrscheinlich wird sie nie wieder die heutigen Dimensionen mit bis zu 40 m Höhe mit Starkholz und hoher Bedeutung für die Biodiversität erreichen, sondern vielleicht nur als kleinwüchsige Baumart oder Gebüsch ein kümmerliches Dasein fristen. Bei deutlicher Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels müssen beide Baumarten für Deutschland weitgehend abgeschrieben werden.

VDI: Wie gewinnen Sie diese Erkenntnisse über den Zustand der Wälder?

Hartmut Kenneweg: Mit Fernerkundung auf Satellitenbasis lässt sich mit vertretbarem Aufwand ein Vitalitätsmonitoring durchführen, das allerdings grobmaschig ist. Verfeinerungen, beispielsweise mit Stichproben im Gelände, sind möglich, aber nicht ohne erheblichen Aufwand zu realisieren. Teilautomatisierte Verfahren erlauben es seit einigen Jahren, die Höhe von Waldbeständen flächendeckend - sogar landesweit - zu messen und damit auch Holzvorratsschätzungen vorzunehmen. Der Einsatz von Drohnen beschränkt sich eher auf kleinflächige Untersuchungen. Bei der Dokumentation des Zustands von Wäldern sowie zur Überwachung von Zustandsveränderungen (Monitoring) bleiben außerdem Luftbildaufnahmen ein bewährtes Mittel. Die Digitalisierung des Luftbildwesens und weiterer Messmethoden und Auswerteverfahren der Fernerkundung (Photogrammetrie) hat das Verfahren gegenüber der analogen Zeit stark rationalisiert. Die VDI 3793 Blatt 3 „Erfassung und Monitoring von Bäumen und Waldbeständen anhand digitaler Luftbildaufnahmen – Planung und Durchführung digitaler Bildflüge“ trägt dieser Entwicklung Rechnung.

#KlimaanpassungInBlau

„Wasser bedeutet Leben“ und muss so auch zwingend im Rahmen der Anpassung an den Klimawandel berücksichtigt werden. Trinkwasser sichert unser Überleben und gleichzeitig müssen wir uns im Falle von Starkregenereignissen und dem steigenden Meeresspiegel vor der Gewalt des Wassers schützen. Insgesamt leisten blaue Strukturelemente in verschiedenen Formen einen entscheidenden Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel. Im Rahmen unserer Themenwochen #KlimaanpassungInBlau möchten wir uns daher der blauen Infrastruktur in all ihren Facetten widmen und das Thema Wasser intensiv beleuchten.

VDI: Wie entsteht ein Konzept zur Anpassung an den Klimawandel?

Hartmut Kenneweg: Zunächst werden individuelle Klimaszenarien für die jeweils betrachteten Planungsräume berechnet, sowohl für „die nahe Zukunft“ (bis ca. 2040) als auch für „die fernere Zukunft“ (bis ca. 2100). Im nächsten Arbeitsschritt wird die Betroffenheit einzelner sogenannter Handlungsfelder bestimmt. Die von uns erarbeiteten Konzepte betrachten neben Wald/Forstwirtschaft noch weitere Handlungsfelder, wie Landwirtschaft, Verkehr, Industrie, Wasserwirtschaft, Erholung/Tourismus sowie Biodiversität/Naturschutz und deren Querbezüge. Im Fall des Waldes stellt „die ferne Zukunft“ im Klimaszenario allerdings eher eine kurze oder allenfalls eine mittelfristige Periode dar. Die Produktionszeit für Fichte wird in der Regel mit 80 bis 100 Jahren angenommen, für die Buche rechnet man mit 120 bis 140 Jahren. Dass Veränderungen im Wald und in der Forstwirtschaft nur sehr langfristig und entsprechend träge umsetzbar sind, ist in der breiten Öffentlichkeit oftmals nur sehr schwer vermittelbar. Die grundsätzliche Notwendigkeit, Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln, wurde jedoch erkannt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz fördert die Erarbeitung der Konzepte zur Anpassung an den Klimawandel für Kommunen oder Landkreise. Ich war bzw. bin beispielsweise in Projekte in Potsdam, im Landkreis Ostallgäu, in Duisburg und im Landkreis Vechta involviert.

VDI: Welche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel können ergriffen werden?

Hartmut Kenneweg: Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel für Wald und Forstwirtschaft betreffen in erster Linie den Waldumbau, in der Regel verbunden mit Baumartenwechsel bzw. Anlage von Mischbeständen mit mehreren - und zwar klimaresilienten -  Baumarten, statt der heute vielfach noch dominierenden Reinbestände (oft als „Monokulturen“ bezeichnet). Welche Baumarten auf die Dauer klimaresilient sein können, weiß heute niemand. Waldumbaumaßnahmen laufen seit ca. 30 Jahren, aber auf zu geringen Flächen. Außerdem sind 30 Jahre in der Forstwirtschaft – wie gesagt – eine kurze Zeit; die Effekte werden in der Landschaft noch nicht deutlich sichtbar. Die gezielte Anlage von Mischbeständen ist bei hohen Wildbeständen entweder gar nicht oder nur mit aufwendigen Wildschutzmaßnahmen umsetzbar. Waldumbau im erforderlichen Umfang würde deutschlandweit Investitionen in Milliardendimension und eine umfangreiche planerische Vorarbeit erfordern. Außerdem müssen viele Akteure zusammengebracht werden, denn die vorherrschende Eigentumsform in vielen deutschen Regionen ist der Kleinprivatwald.

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Waldökosysteme in Deutschland unter Druck

Darüber hinaus entsteht hier möglicherweise ein Zielkonflikt innerhalb des Vorgehens zum Umgang mit dem Klimawandel: Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) verlangt Klimaneutralität bis 2045. Das kann bedeuten, dass die Kohlenstoffspeicherfähigkeit (die Senkenfunktion für CO2 des Waldes) extrem strapaziert werden muss (Bevorzugung schnell wachsender Baumarten, Nutzungsverzicht...). Das kann zu Lasten der Klimaanpassung gehen, die – wie gesagt – eher langfristig resiliente Baumarten und nicht den Erhalt instabiler Bestände anstrebt.

VDI: Gibt es weitere Optionen zur Anpassung an den Klimawandel?

Hartmut Kenneweg: Neuer Wald würde auch wieder entstehen, wenn die kahlen Flächen nach dem Absterben heutiger Wälder sich selbst überlassen werden. Viele Naturschützerinnen und Naturschützer schlagen das als Lösung vor. Auf solche Weise neu entstehende Wälder würden jedoch die Aufrechterhaltung der Waldfunktionen (Ökosystemleistungen) nach Art und Umfang des heutigen bzw. des bisherigen Zustands nicht erfüllen können. Bauholz als Ersatz der heute wichtigsten Holzsortimente wäre z. B. von solchen Wäldern voraussichtlich kaum noch zu erwarten. Erhebliche Einschränkungen sind auch bei anderen Waldfunktionen zu erwarten.

Die dritte, sehr häufig vorgesehene Maßnahme ist eine Intensivierung des Waldschutzes bzw. Forstschutzes. Es ist dürrebedingt mit verstärkter Waldbrandgefahr zu rechnen, und das nicht nur im Nadelholz. Erwärmung und Dürre begünstigen außerdem Insekten, darunter auch neu zugewanderte Arten, die erhebliche bis fatale Schäden anrichten können. Vorbeugungs- und Bekämpfungsmethoden müssen teils neu entwickelt, jedenfalls aber großflächig umgesetzt werden.

VDI: Wie sehen Sie die Zukunft des Waldes?

Hartmut Kenneweg: Wie künftige Wälder zusammengesetzt sind und aussehen werden, kann heute niemand zuverlässig voraussagen. Umso wichtiger ist es, die Entwicklung genau zu beobachten und zu dokumentieren, um Maßnahmen im Bedarfsfall gezielt anpassen oder verändern zu können. Damit sind wir zurück bei der Fernerkundung, von der erwartet wird, dass sie vergleichsfähige, auf standardisierten Indikatoren beruhende Zeitreihen zum Waldzustand liefert. Darüber hinaus können für die Interpretation der Wald-Daten wichtige „Zusatzdaten“ mit Fernerkundungsmethoden ermittelt und in geeigneter Weise eingerechnet werden, z. B. die Oberflächentemperatur oder die Bodentrockenheit. Dazu gibt es noch Forschungsbedarf. Das laufende Verbundprojekt „Urban Green Eye“ mit vielen beteiligten Städten und Institutionen arbeitet daran, den Fernerkundungseinsatz zugunsten von Stadtwäldern und anderem Stadtgrün zu optimieren.

Interview und Ansprechpartnerin: 
Dipl.-Umweltwiss. Ruth Heesen
KRdL-Fachbereich Umweltqualität
E-Mail: heesen@vdi.de

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