Nachhaltigkeit prägt die Forschung in der Landtechnik
Die Landtechnik steht vor neuen Herausforderungen: Ging es in der Vergangenheit vor allem darum, möglichst effizient Nahrungsmittel für immer mehr Menschen zu produzieren, rücken nun Nachhaltigkeitsaspekte verstärkt in den Vordergrund. Die Roadmap „Agriculture Technology 2030“ gibt Hinweise auf künftige Forschungsfelder.
Wie stark Regulierungen für einen verbesserten Klimaschutz eine Branche umkrempeln können, zeigt sich gerade besonders in der Automobilindustrie. Auch die Landtechnik bleibt davon nicht verschont. Denn ihre Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit sind sogar noch vielfältiger. „Wir beschäftigen uns natürlich mit alternativen Antriebskonzepten. Allerdings stammen die meisten CO2-äquivalenten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft nicht aus dem Kraftstoffverbrauch bzw. dem sonstigen Energiebedarf“, sagt Peter Pickel, Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (VDI-MEG).
Weit mehr Treibhausgase (THG) würden in Form von Methan ausgestoßen, das aus der Tierhaltung stamme, oder aus dem Einsatz von Düngemitteln resultiert. Pickel sieht seine Branche daher in der Verantwortung: „Im Ackerbau und in der Grünlandbewirtschaftung haben wir mittelbar Einfluss darauf. Beispielsweise können wir Gülle aus der Tierhaltung hochpräzise so einsetzen, dass die Nährstoffkreisläufe geschlossen werden. Das kann Über- und Unterdüngung und Emissionen – und zwar nicht nur THG-Emissionen, sondern etwa auch Nitrateintrag ins Grundwasser – vermeiden.“
Potenziale zur Reduktion der Treibhausgasemissionen sieht die am 03. November 2020 von der VDI-MEG vorgestellte Roadmap „Agriculture Technology 2030“ in der Erhöhung der Maschineneffizienz, der Verbesserung des technischen Prozessmanagements, in Managementsystemen zur Optimierung der Mensch-Maschine-Interaktion sowie der Nutzung erneuerbarer Energien. „Das größte Potenzial liegt in der Verbesserung des Prozessmanagements und der Nutzung erneuerbarer Energien in allen Bereichen der landwirtschaftlichen Betriebe“, heißt es darin. Maßnahmen zur Automatisierung der Prozessgestaltung wie das „Precision Farming“ könnten zur Optimierung beitragen. Die Roadmap empfiehlt: „In jedem Projekt, das sich mit Nachhaltigkeit befasst, müssen objektive Nachhaltigkeitsanalysen (Life Cycle Assessment, LCA) durchgeführt werden, um den Ergebniswert des jeweiligen Projekts nachzuweisen.“
Zentrale Rolle in der Energiewirtschaft
Die Landwirtschaft ist in einer zentralen Position, wenn es um eine nachhaltige Energiewirtschaft geht. Sie bietet ein großes Potenzial, da sie sowohl eine treibende Kraft für die Produktion als auch für die Anwendung erneuerbarer Energien ist. Damit ist sie der einzige Produktionssektor, der gleichzeitig große Mengen an Energie verbraucht und selbst produzieren kann. Pickel erklärt dazu: „In Hinblick auf die Erzeugung und stationäre Nutzung von elektrischer Energie ist vieles heute schon wirtschaftlich. Regulatorisch ist ebenfalls wenig erforderlich. Technologisch müssen wir aber noch an der Sektorenkopplung im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten.“
Er meint damit insbesondere die Einbindung der Landwirtschaft in Netzdienstleistungen, aber auch die Einbindung der mobilen Maschinen in ganzheitliche Energiekonzepte: „Für die Nutzung von Biogas – und das gilt übrigens auch für Pflanzenölkraftstoff und Biodiesel – muss eine gerechte Besteuerung langfristig sichergestellt werden“, fordert er. Denn in Deutschland werden Pflanzenöl und Biogas als Kraftstoff demnächst faktisch höher besteuert als fossile Treibstoffe, weil Biokraftstoffe bei der Nutzung in der Landwirtschaft demnächst von der Entlastung von der Energiesteuer bei Kraftstoffen ausgenommen sein werden. Für ihn ist das „ein untragbarer Zustand“.
Dabei sind viele Technologien für nachhaltige Antriebskonzepte in der Landwirtschaft laut Pickel bereits marktnah entwickelt. Als Beispiele nennt er flüssige und gasförmige Biokraftstoffe. „Teilelektrische Konzepte werden im Laufe der 2020er-Jahre Zug um Zug kommen. Sie werden Effizienzsteigerungen bewirken“, ist er überzeugt. Die Zukunft für vollelektrische Konzepte sei dagegen schwer vorhersehbar.
Chancen für Biokraftstoffe
Biokraftstoffe – da war doch was? Richtig, die Tank-oder-Teller-Diskussion. „Dieser Konflikt resultierte aus der Vorstellung, dass solche Biokraftstoffe fossile Treibstoffe im gesamten Mobilitätssektor ersetzen sollten. Dies ist natürlich nicht möglich, weil die landwirtschaftliche Fläche dafür einfach nicht ausreicht und die Kraftstoffproduktion dann zulasten der Nahrungsproduktion erfolgen würde“, erklärt der VDI-MEG-Vorsitzende. „Es macht aber durchaus Sinn, klassische Biokraftstoffe begrenzt in und für die Landwirtschaft zu produzieren“, fügt er hinzu. Das sei ein guter Weg, die Landwirtschaft „fossilfrei“ zu gestalten. Pickel verweist darauf, dass der Ansatz in der Branche schon sehr alt ist: „In früheren Zeiten musste der Acker auch schon die Energie für die, Landmaschinen‘ liefern, die aber einst nicht vier Räder, sondern vier Beine hatten. Denn die Zugtiere – Ochsen und Pferde – mussten auch mit Energie vom Acker versorgt werden.“ Für ihn kommen daher auch weiterhin landwirtschaftlich produzierter Kraftstoff wie reines Pflanzenöl aus der Landwirtschaft oder Biodiesel infrage. Gleichzeitig hofft er auf Fortschritte bei der Umwandlung regenerativ erzeugter Energie in andere Energieträger. Die Branche spricht von Power-to-X. Damit ließen sich beispielsweise synthetische Kraftstoffe erzeugen und bestehende Motorenkonzepte nachhaltig nutzen. „Daneben kann man sich auch ganz andere Antriebskonzepte vorstellen, etwa Landmaschinen am Stromkabel. Das gab es schon – bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts“, merkt Pickel an.
Dass der Einsatz rein batterieelektrischer Konzepte in der Landtechnik nicht so einfach umzusetzen ist wie in der Automobilbranche, wird bei näherer Betrachtung der praktischen Anforderungen im Betrieb auf dem Acker deutlich. Wesentliche Gründe dafür sind, dass Batterien zu schwer, zu groß und auch noch zu teuer sind. Denn für eine effiziente Bodenbewirtschaftung muss die Bodenverdichtung durch die Maschinen möglichst geringgehalten werden. Ähnliche Probleme wie die Speicherung von Energie in Batterien sieht Pickel aber auch beim Einsatz von Wasserstoff. Die für den effizienten Maschineneinsatz benötigte Energie beanspruche einen entsprechenden Raum in der Maschine, der vielfach nicht vorhanden sei. „Lediglich kleinere Landmaschinen lassen sich aus heutiger Sicht sinnvoll als vollbatterieelektrische Fahrzeuge realisieren“, sagt der VDI-MEG-Vorsitzende. Für mittelgroße Landmaschinen böten sich weiterhin Verbrennungskraftmaschinen mit (Bio-)Methan an und bei großen Landmaschinen würden daher weiterhin flüssige Kraftstoffe benötigt. „Das muss nicht Diesel sein“, stellt er fest. In Sachen Elektromobilität fügt er hinzu: „Größere mobile Land- und Baumaschinen lassen sich aus heutiger Sicht nicht rein batterieelektrisch betreiben.“
Hinsichtlich der Neuentwicklung von spezialisierten Erntemaschinen rät die VDI-MEG in ihrer aktuellen Roadmap zur Vorsicht. Denn der Weltmarkt für Erntemaschinen ist vergleichsweise klein und stagniert. Aus Gründen der Produktionskosten sei die bestehende Vielfalt an Erntetechnologien relativ gering. Mit Blick auf die globale Nutzung seien Erntemaschinen ein Kompromiss und böten nicht das technologische Optimum für alle Regionen und Erntebedingungen. Die Roadmap empfiehlt daher, das hohe Risiko der Einführung neuer, speziell optimierter Technologien zu reduzieren, um die Entwicklung und Einführung neuer Erntetechnologien zu erleichtern.
Dazu zählen unter anderem auch Technologien, die für eine höhere Transparenz und eine bessere Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelproduktion sorgen sollen. Dafür sind z. B. laut der VDI-MEG-Roadmap die präzise Erfassung und Dokumentation von Qualitätsparametern und Inhaltsstoffen während oder vor der Ernte erwünscht. „Dies wird die Entwicklung weiterer Technologien in Richtung Kreislaufwirtschaft unterstützen, z. B. durch Schließung von Stickstoffkreisläufen“, heißt es in dem Dokument.
Große Potenziale in der Automatisierung
Gerade in der Automatisierung liegen daher aktuell große Potenziale für die Landtechnik. „Automatisierung hat das Ziel höchster Präzision“, erklärt Pickel. Wie das aussehen kann, macht er am Beispiel des Nährstoffkreislaufs deutlich. „Im Idealfall behandeln wir jedes Lebewesen als Individuum und versorgen es exakt mit dem benötigten Bedarf an Nährstoffen und Wasser. Wir behandeln es dann auch mit minimalen Schutzmaßnahmen bei Krankheiten.“ Auch wenn das noch visionär erscheint, ist in der Nutztierhaltung heute bereits viel möglich. Bei Pflanzen ist so etwas laut Pickel im Bereich Sonderkulturen und Reihenkulturen gut vorstellbar und ebenfalls teilweise realisiert. „Bei Kulturen wie Weizen oder Raps ist alles naturgemäß etwas schwieriger. Am Ende aber wird Automatisierung die Minimierung des Betriebsmitteleinsatzes bei maximalem Ertrag und geringsten Umweltfolgen bewirken“, zeigt sich der VDI-MEG-Vorsitzende, der gleichzeitig Sprecher der europäischen MANUFuture-Sub-Plattform Agricultural Engineering and Technologies (AET) ist, überzeugt.
Autor: Martin Ciupek
Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences
E-Mail-Adresse: meg@vdi.de