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Agri-Photovoltaik

Stromerzeugung auf landwirtschaftlichen Flächen

Bild: Jenson/Shutterstock.com

Ob Energiewende, Klimawandel oder Ernährungssicherheit, bei der Lösung dieser Probleme stehen sich oft unterschiedliche Interessen und Anforderungen gegenüber. Dabei gibt es gute Beispiele für wenig genutzte Potenziale, die bisher kaum im Fokus stehen, beispielweise im Bereich erneuerbaren Energien. Eines davon sind Agri-Photovoltaik-Anlagen.

Experten auf diesem Gebiet sind Michael Grieb und Malte Stöppler, die uns im Interview erklären, was sich hinter Agri-Photovoltaik verbirgt.

VDI: Was ist Agri-Photovoltaik und wie unterscheidet sich das von anderen Photovoltaikanlagen?

Michael Grieb/ Malte Stöppler: Die Agri-Photovoltaik (oder kurz Agri-PV) beschreibt die Nutzung einer landwirtschaftlichen Fläche zur Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte und die gleichzeitige Nutzung durch Photovoltaikanlagen zur Stromproduktion. Diese Doppelnutzung ist auch der maßgebliche Unterschied zu herkömmlichen Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA). Denn für sie werden in der Regel Acker- oder Grünlandflächen umgewidmet und stehen dann nur noch für die Stromerzeugung zur Verfügung.

Aktuell wird die Agri-PV nach der DIN SPEC 91434:2021-05 definiert. Das umfasst unter anderem:

  • Einteilung in hoch aufgeständerte (lichte Höhe von mindestens 2,10 Meter) und bodennahe Agri-PV-Systeme.
  • Die Landwirtschaft geht vor: Daher dürfen bei bodennahen Systemen maximal 15 % landwirtschaftlich nutzbare Fläche verloren gehen, bei hoch aufgeständerten Systemen sind es maximal 10 %.
  • Zwei Drittel des bisherigen Durchschnittsertrages einer Kultur müssen nach der Errichtung der Agri-PV-Anlage noch erzielt werden.
  • Es muss ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept ausgearbeitet werden mit Angaben zur Fläche und technischen Details der Anlage, dem Verlust landwirtschaftlicher Fläche und Angaben zur Pflanzenproduktion für die folgenden drei Jahre.
  • Dieses Nutzungskonzept muss von einem Zertifizierungsunternehmen zertifiziert werden.
  • Die Kombination aus Agri-PV mit Weidetierhaltung ist momentan nicht definiert. Eine neue Vornorm ist allerdings in der Entstehung und wird voraussichtlich Mitte 2024 veröffentlicht.

VDI: Welche Vorteile bietet Agri-Photovoltaik?

Michael Grieb/ Malte Stöppler:  Der große Vorteil von Agri-PV ist die beschriebene Doppelnutzung. Dadurch wird die Flächeneffizienz der Flächen erhöht und gleichzeitig verhindert, dass für die Stromproduktion landwirtschaftliche Flächen versiegelt oder dauerhaft der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion entzogen werden. Erste Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass manche Kulturen bei heißen und trockenen Bedingungen von der Beschattung der Module profitieren können. Darüber hinaus können die Module Schutz vor Hagel oder Starkregen bieten.

VDI: Welche Nachteile oder Schwierigkeiten ergeben sich bei Agri-Photovoltaik-Anlagen?

Michael Grieb/ Malte Stöppler: Aktuell können keine klaren Aussagen darüber getroffen werden, welche Agri-PV-Systeme sich für welche landwirtschaftlichen Kulturen optimal eignen. Je nach Anlagensystem können außerdem höhere Investitionskosten als für PV-Freiflächenanlagen entstehen. Beispielsweise ist durch die Konstruktionsweise bei hoch aufgeständerten Anlagen der Materialeinsatz höher. Darum gibt es aktuell zur Kompensation einen Technologiebonus von 1,2 ct/kWh für hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen, die mit einer Anlagengröße über 1 MWp einen Zuschlag bei einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur bekommen. Ob dieser Bonus ausreichen wird, um die die höheren Kosten zu decken, muss sich noch zeigen.

Ein weiteres Hemmnis stellen die teilweise langwierigen Genehmigungsverfahren dar. In der Regel muss dazu der Flächennutzungsplan durch die Gemeinde geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Das kann ein bis zwei Jahre dauern. Darum wurden in den letzten Monaten gesetzliche Änderungen vorgenommen, damit Agri-PV-Anlagen unter bestimmten Umständen privilegiert werden können. Das bedeutet, keinen Bebauungsplan und eine verkürzte Genehmigungszeit.

Die Planung und Genehmigung von Agri-PV-Anlagen sind sehr komplex. Darum haben wir am TFZ einen Leitfaden und ein Erklärvideo zum Thema entwickelt, um Landwirten, Kommunen und anderen Interessierten einen niederschwelligen Einstieg in die Thematik zu bieten.

Vorteile im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU:

Zwei weitere Vorteile liegen im Steuerrecht und den Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU:

  • Grundsätzlich kann es steuerrechtliche Nachteile haben, wenn auf einer landwirtschaftlichen Fläche eine PV-Anlage errichtet wird. Diese Fläche wird dann nicht mehr dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb, sondern dem Grundvermögen zugeordnet. Das hat Konsequenzen hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Außerdem wird die PV-Fläche nunmehr der Grundsteuer B zugeordnet. Wird hingegen eine Agri-PV-Anlage nach den Vorgaben der DIN SPEC 91434:2021-05 gebaut, bleibt der steuerrechtliche Status der landwirtschaftlichen Fläche erhalten.
  • Landwirtschaftliche Betriebe können im Rahmen der GAP-Direktzahlungen-Verordnung finanzielle Förderungen für ihre landwirtschaftliche Flächen erhalten, sofern diese für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. PV-FFA sind nicht förderfähig, da sie die landwirtschaftliche Nutzung zu sehr einschränken. Für Agri-PV-Anlagen, die die Bestimmungen der DIN SPEC 91434:2021-05 einhalten und die landwirtschaftlich nutzbare Fläche um maximal 15 Prozent verringern, besteht weiterhin für 85 Prozent des Fördersatzes Direktzahlungsanspruch.

Ab Oktober diesen Jahres werden wir anhand einer Agri-PV-Anlage bestehend aus drei verschiedenen Agri-PV-Anlagentypen auf einer Ackerfläche in Grub bei München die komplexen Wechselwirkungen verschiedener Agri-PV-Anlagensysteme und der Landwirtschaft untersuchen und für die Beratung sowie den wissenschaftlichen Diskurs aufarbeiten. Im nächsten Jahr kommt noch eine vertikale Agri-PV-Anlage auf Dauergrünland dazu. Im Zentrum stehen dabei das gesamtwirtschaftliche Konzept und die Auswirkungen des Betriebs der Anlage auf den Bewirtschaftungsaufwand. Insbesondere werden Effekte der herkömmlichen Landbewirtschaftung auf die Module und den Stromertrag untersucht. Die Frage ist, ob die Module beispielweise durch Ablagerungen oder entstehenden Steinschlag bei Pflege- oder Bodenbearbeitungsmaßnahmen beschädigt oder weniger leistungsfähig werden. Gleichzeitig soll der landwirtschaftliche Ertrag sowie das Mikroklima im Pflanzenbestand und auf der Gesamtfläche der Agri-PV-Anlage untersucht werden. Weiterhin werden ökologische Auswirkungen, vor allem einer Veränderung der Biodiversität direkt an und unter den Modulreihen und die gesellschaftliche Akzeptanz der Agri-PV anhand der Forschungsanlagen weiter untersucht.

Sicherlich spannend werden auch die Fragen sein, ob der Abfluss des Regenwassers an den Modulkanten zu signifikanten Erosionseffekten führt, inwiefern es gespeichert und für die Bewässerung genutzt werden kann und wie sich der Bereich der Modultechnologie weiterentwickeln wird.

VDI: Gibt es Beispiele, wo Agri-Photovoltaik bereits erfolgreich eingesetzt wird?

Michael Grieb/ Malte Stöppler: Die Idee der Agri-PV ist an sich nicht neu. Sie wurde bereits in den 1980er Jahren entwickelt, konnte sich aber nicht durchsetzen. In Deutschland wurde sie im Jahr 2011 durch das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) wieder aufgegriffen. Seitdem sind in Deutschland einige Forschungsanlagen entstanden und auch die privaten Agri-PV-Anlagen nehmen zu. Im gleichen Zeitraum gewann die Agri-PV weltweit an Bedeutung. Mittlerweile gibt es auf allen Kontinenten spannende Forschungsprojekte und einen internationalen Austausch auf Forschungsebene. Um der Landflucht entgegenzuwirken und die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zu erreichen, wurden beispielweise in Japan und Südkorea staatliche Förderprogramme für überwiegend kleinere Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung zwischen 90 und 100 kWp eingerichtet. Die weltweit größte Agri-PV-Anlage ist wurde im Norden Chinas über Gojibeeren errichtet. Sie wurde als Projekt gegen die voranschreitende Wüstenbildung realisiert und hat eine Leistung von 1 GWp.

VDI: Welche Potenziale sehen Sie in Agri-Photovoltaik?

Michael Grieb/ Malte Stöppler: Das theoretische Flächenpotenzial der Agri-PV ist sehr groß, da sie auf fast allen Acker- und Grünlandflächen eingesetzt werden kann. Hinsichtlich der notwendigen Transformation und Dekarbonisierung unserer Energieerzeugung kann die Agri-PV also auch ein wichtiger Baustein werden. Aktuell zeichnet es sich ab, dass Dauer- oder Sonderkulturen wie Beeren sich besonders gut eignen. Hier kann der Schutz vor Wetterextremen ein wertvoller Zusatznutzen sein. Diesen Effekt gilt es auch bei anderen Kulturen zu untersuchen.

Agri-PV als Klimaanpassungs-Instrument in der Landwirtschaft?

Insgesamt wird es interessant sein zu sehen, inwiefern die Agri-PV als Instrument der Klimaanpassung in der Landwirtschaft genutzt werden kann. Wie erwähnt, kann sich die Agri-PV bei heißen und trockenen Wetterbedingungen bei manchen Kulturen positiv auf das Ertragspotenzial auswirken.

VDI: Was fehlt für eine sinnvolle Nutzung hier in Deutschland?

Michael Grieb/ Malte Stöppler: Der regulatorische Rahmen wurde in den letzten Monaten insofern angepasst, dass Hemmnisse abgebaut wurden und daher von einer Zunahme der Agri-PV-Anlagen auszugehen ist. Für eine vermehrte Nutzung könnte es darüber hinaus sinnvoll sein die Genehmigungsverfahren weiter zu vereinfachen und wie oben bereits angeführt die Vergütung für Agri-PV-Anlagen im Vergleich zu herkömmlichen PV-FFA zu erhöhen. Notwendig sind außerdem Erfahrungen mit und eine schnelle und unkomplizierte Durchführung der Zertifizierung der Agri-PV-Anlagen.

VDI: Welche weiteren Fortschritte in Forschung sind zu erwarten oder bräuchte es?

​​​​​​​Michael Grieb/ Malte Stöppler: ​​​​​​​Viele Fragen rund um die Agri-PV sind noch ungeklärt. Am wichtigsten wird es sein, Erkenntnisse darüber zu sammeln, welche landwirtschaftlichen Kulturen mit welchen Agri-PV-Systemen am besten harmonieren. Dieser Frage werden wir uns in unserem aktuellen Forschungsprojekt widmen. Ab Oktober dieses Jahres werden wir anhand einer Agri-PV-Anlage, bestehend aus drei verschiedenen Agri-PV-Anlagentypen, auf einer Ackerfläche in Grub bei München die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Agri-PV-Anlagensystemen und der Landwirtschaft untersuchen und für die Beratung sowie den wissenschaftlichen Diskurs aufarbeiten. Im nächsten Jahr kommt noch eine vertikale Agri-PV-Anlage auf Dauergrünland dazu. Im Zentrum stehen dabei das gesamtwirtschaftliche Konzept und die Auswirkungen des Betriebs der Anlage auf den Bewirtschaftungsaufwand. Insbesondere werden Effekte der herkömmlichen Landbewirtschaftung auf die Module und den Stromertrag untersucht. Die Frage ist, ob die Module beispielweise durch Ablagerungen oder entstehenden Steinschlag bei Pflege- oder Bodenbearbeitungsmaßnahmen beschädigt oder weniger leistungsfähig werden. Gleichzeitig sollen der landwirtschaftliche Ertrag sowie das Mikroklima im Pflanzenbestand und auf der Gesamtfläche der Agri-PV-Anlage untersucht werden. Darüber hinaus werden ökologische Auswirkungen, vor allem einer Veränderung der Biodiversität, direkt an und unter den Modulreihen sowie die gesellschaftliche Akzeptanz der Agri-PV mithilfe der Forschungsanlagen weiter untersucht.

Sicherlich spannend werden auch die Fragen sein, ob der Abfluss des Regenwassers an den Modulkanten zu signifikanten Erosionseffekten führt, inwiefern es gespeichert und für die Bewässerung genutzt werden kann und wie sich der Bereich der Modultechnologie weiterentwickeln wird.

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Über die Interviewpartner:

Michael Grieb hat Agrarwissenschaften und Nachwachsende Rohstoffe studiert. Er ist stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung "Rohstoffpflanzen und Stoffflüsse" am Technologie- und Förderzentrum (TFZ) Straubing und zugleich praktizierender Landwirt. Das TFZ ist für die Forschung an Agri-PV für das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuständig.

Malte Stöppler hat in Göttingen Agrarwissenschaften mit den Schwerpunkten Nutzpflanzenwissenschaften und Agribusiness studiert und befasst sich seit Mai 2022 am TFZ mit dem Thema Agri-PV.

Das Interview führte Gudrun Huneke.

Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik
(VDI-MEG)
E-Mail: meg@vdi.de

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