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KI in der Kreislaufwirtschaft

Nichts für die Tonne

Bild: FooTToo/Shutterstock.com

Mithilfe von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) sollen die Abfallberge weltweit schrumpfen und wichtige Ressourcen zurückgewonnen werden. In EU-weiten Projekten werden derzeit viele pfiffige Ideen technisch umgesetzt.

Normalerweise läuft das so: Ein Produkt wird hergestellt, gehandelt, genutzt – und irgendwann weggeworfen.

Für kommunale Entsorgungsunternehmen und Recyclingfirmen ist es extrem schwierig, aus den Müllbergen Verwertbares wieder herauszufischen, um die Forderungen nach einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu erfüllen. Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz soll das künftig besser gelingen.

„In der Kreislaufwirtschaft stehen Automatisierung und KI für Systematik“, sagt Dagmar Dirzus, Geschäftsführerin der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA). „Diese ist notwendig, um Nachverfolgbarkeit und damit Recyclingfähigkeit zu gewährleisten, denn wir können ja nicht rein zufällig dieselben Kunststoffe zur Wiederverwendung zusammenbringen.“ 

Ökodesign-Richtlinie schafft Voraussetzungen

Eine politisch wichtige Weichenstellung für das Gelingen war die Ökodesign-Richtlinie, auf die sich die EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission kürzlich für zumindest zehn Produktgruppen geeinigt hatten. Damit sollen sich Gegenstände und Geräte nach dem Gebrauch besser in seine Einzelteile zerlegen lassen. 

Außerdem soll damit seit dem 1. März 2021 Neuware leichter reparierbar sein. Für viele Elektrogeräte heißt dann das Motto „Reparieren statt wegschmeißen“. Denn: „Wenn Geräte länger halten, schont das nicht nur wertvolle Ressourcen und das Klima, sondern auch den Geldbeutel“, sagt dazu Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Erkennen und Sortieren

Allerdings bestehen die Müllberge in der EU und weltweit aus weit mehr als Elektroschrott. Der Großteil dieser Abfallmengen besteht aus Verpackungen. Deutschland mit seinem gutem Abfallmanagement steht oft erst in den Sortieranlagen der Entsorgungs- und Recyclingunternehmen vor dem Problem, wie man Gut von Böse trennt. In fernen Ländern aber landen Verpackungen und Kunststoffflaschen oft in der Umwelt. „Im Hochtechnologieland Deutschland mit unserer Automatisierung und KI haben wir die einmalige Chance, uns als Leuchtturm zu positionieren“, davon ist GMA-Geschäftsführerin Dirzus überzeugt. „Unsere Technologien könnten dann zum Erfolgsschlager werden.“

Mithilfe Künstlicher Intelligenz lässt sich vieles aus dem Müll in Ressourcen und Wertstoffe umwandeln. Die meisten KI-Lösungen beziehen sich auf die Sortierung von Abfällen, um hochwertige Sekundärrohstoffe zu gewinnen. Andere werten Sensordaten aus, etwa um dem Entsorgungsunternehmen den Füllstand von Abfallcontainern anzuzeigen.

Roboter über KI anlernen

„Der Schlüssel für höhere Recyclingquoten ist die Sortierung der Reststoffe“, bestätigt Dagmar Dirzus. „Dies kann nur durch Roboter, die mit Sensoren ausgestattet sind und über KI lernen, wie die Abfälle immer weiter optimiert voneinander getrennt werden können, sinnvoll und effizient durchgeführt werden.“ 

Das polnische Start-up Bin-e geht sogar noch einen Schritt weiter. Seine Gründer haben einen intelligenten Abfallcontainer entworfen, der den Müll mithilfe künstlicher Intelligenz automatisch in verschiedene Fraktionen trennt und diese zusätzlich verdichtet. Unterschieden wird hier zwischen Glas, Plastik, Papier und Metall. Laut Herstellerangaben werden 90 % des Abfalls korrekt sortiert. Die Deutsche Bahn hat das System am Hauptbahnhof in Münster bereits ausprobiert. 

Art und Menge des Abfalls überwacht

Im Rahmen einer EU-Initiative wurde ein Abfallüberwachungssystem entwickelt, bei dem Künstliche Intelligenz und maschinelles Sehen Art und Menge des jeweiligen Materials bestimmen. Es setzt bei der Müllsortierung im kommunalen Entsorgungszentrum an. Das hier angelieferte Material ist ein sehr unbeständiger Abfallstrom, der mit der bislang verfügbaren Technik weder in Echtzeit noch zu vernünftigen Kosten überwacht werden kann. Das neue System soll nun an verschiedenen Orten innerhalb der Anlage die Vielfalt der Materialien darstellen.

Dafür werden mit optischen Methoden Daten gesammelt und auf einer Fernüberwachungsplattform analysiert. „Dank der mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Technologie zur Abfallerkennung sind wir nun in der Lage, ein viel breiteres Spektrum an Objekten mit viel höheren Erkennungsquoten zu identifizieren, und das sogar unter komplizierteren Bedingungen, etwa wenn Materialien zerbrochen oder zerkleinert sind“, sagt Belén Garnica, Finanzchefin von Sadako Technologies und Koordinatorin des EU-finanzierten Projekts Rubsee. In Spanien laufen bereits zwei Pilotanlagen, eine weitere in Portugal.

Bilderkennung und Datenanalyse optimieren Abfallaufbereitung

Das Problem bei der Abfallaufbereitung ist, dass Plastik, Verbundwerkstoffe, Papier, Kartons und Metalle oft in stark unterschiedlichen Mengen wild durcheinander gemischt durch die Anlagen geschleust werden. Das macht es schwierig, sie quantitativ zu sortieren. Hier greift nun das österreichische Projekt KI-Waste an. Es kombiniert Bilddaten mit Anlagendaten, um die Ausbeute zu erhöhen. Das Projekt wird vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz und der Joanneum Research Forschungsgesellschaft umgesetzt.

Voraussetzung dafür sind Informationen über Materialzugehörigkeit und Geometrien der Objekte, um sie eindeutig zuzuordnen. Spezielle 3-D-Sensoren wie etwa Time-of-Flight-Kameras erfassen die räumlichen Eigenschaften der Objekte, 2-D-Sensoren kümmern sich um die Farbinformationen. Die hinterlegte Bildanalysesoftware nutzt Deep-Learning-Algorithmen, um den Abfall immer besser unterscheiden zu können. Die Messdaten fließen zudem in Modelle ein, anhand derer die Bilderkennung hinsichtlich von Messgenauigkeit und Position in der Sortieranlage optimiert wird. Dies erhöht die Recyclingausbeute und verringert den Energieverbrauch. Auch andere Branchen, in denen ebenfalls Bilddaten gemeinsam mit Zeitreihendaten analysiert werden müssen, könnten von der Technik profitieren, meinen die Entwickler – etwa Pharmaunternehmen oder die Stahlindustrie.

Produktinformationen in der smarten Datenbank

„Für die Nachverfolgung und damit eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sind das Datenmanagement großer Datenmengen und passende Algorithmen unerlässlich“, sagt GMA-Geschäftsführerin Dirzus. „In Kombination mit Blockchain-Technologien können diese Daten dabei helfen, Werkstoffe über den gesamten Lebensweg eines Produktes bis zum neuen Recyklat zu verfolgen und dabei für alle Beteiligten die notwendige Datensicherheit zu gewährleisten.“

Ein System, das bereits im Handel greift, hat das texanische Unternehmen Smarter Sorting für Einzelhändler und Lieferanten entwickelt. Wenn Artikel unverkäuflich sind oder zurückgegeben wurden, sollen sie künftig nicht einfach entsorgt werden – eine Praxis, mit der vor allem Onlinehändler in der Vergangenheit wiederholt in die Schlagzeilen geraten waren. 

Kernstück von Smarter Sorting ist eine intelligente Datenbank, in der Produktinformationen und Daten zu Verpackung und Sicherheit vom jeweiligen Lieferanten hinterlegt werden. Mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens trainiert das System, für das einzelne Produkt die jeweils nachhaltigste und günstigste Entscheidung zu treffen – kann es wiederverwendet, gespendet oder recycelt werden? Nach Angaben des Unternehmens könnten Einzelhändler auf diese Weise über 70 % ihrer Abfallmenge reduzieren. 

Abfallströme in der Umwelt erkennen

KI soll außerdem helfen, die Plastikflut in den Meeren zu reduzieren. In vielen Ländern der Welt fehlt schlicht die kommunale Müllsammlung und -entsorgung. Deshalb landen große Mengen an Unrat in den nahe gelegenen Flüssen, von wo aus sie stetig ins Meer geschwemmt werden. Die Weltbank hat in einigen Ländern Südostasiens gemeinsam mit den jeweiligen Regierungen mehrere Projekte initiiert, um diese Zustände zu verbessern. Mit dabei ist ein Wissenschaftsteam des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) am Standort Oldenburg, das intelligente Sensoren und Analysemethoden liefert, mit denen die lokalen Behörden gegen die Plastikflut vorgehen können.

Für die kambodschanischen Städte Phnom Penh, Siem Reap und Sihanoukville wurde der Machine-Learning-Algorithmus Aplastic-Q (aquatic plastic litter detector and quantifier system) entwickelt. Multispektralkameras nehmen von Drohnen aus räumlich hoch aufgelöste RGB-Bilder aus etwa 6 m Höhe auf. Mit diesen Aufnahmen von schwimmendem, an Strände angeschwemmtem oder in der Vegetation hängen gebliebenem Plastik trainiert dann der Algorithmus. Zunächst gibt es eine Schätzung der Mülldichte, dann werden die Objekte genauer unter die Lupe genommen – seien es Flaschen, Tüten oder Becher, Styropor, Kanister oder sonstige Verpackungen. Mit dem so gewonnenen Wissen sollen die politischen Entscheidungsträger vor Ort gezielter Maßnahmen gegen die Vermüllung der Umwelt ergreifen können. 

Autorin: Bettina Reckter

Ansprechpartnerin
Dr.-Ing. Dagmar Dirzus
VDI-Topthema Digitale Transformation
E-Mail-Adresse: dirzus@vdi.de

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