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DWD-Experte zur Agrarmeteorologie

Dürre, Trockenheit und Starkregen

Bild: Edgar G Biehle/Shutterstock.com

Der Juni 2023 war der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, es folgte ein sehr nasser August und jetzt im September klagen wir über die Hitze. Sicher ist, dass Extreme zunehmen und die Auswirkungen von Dürre, Trockenheit und Starkregen auf die Landwirtschaft durch den Klimawandel verstärkt werden. Im Interview erklärt uns der Experte Andreas Brömser vom Deutschen Wetterdienst, wie die Agrarmeteorologie den Landwirten hilft, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Und sind Dürre und Trockenheit eigentlich dasselbe? Erfahren Sie außerdem, warum Böden trotz gleicher Regenmengen trockener werden und wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten weiterentwickeln wird.

VDI: Herr Brömser, Sie sind Agrarmeteorologe. Was macht man denn da genau?

Andreas Brömser: Bei meiner Arbeit geht es um Wettervorhersagen von drei bis sieben Tagen für die Landwirtschaft. So können Landwirte und Landwirtinnen ihre Arbeiten besser im Voraus planen. Darüber hinaus geben wir auch einen Wochenwitterungsrückblick in landwirtschaftlichen Zeitschriften oder den agrarmeteorologischen Teil für den monatlichen Klimastatus, den der Deutsche Wetterdienst jeden Monat veröffentlicht. Zum Job gehören aber auch Vorträge, zum Teil auf landwirtschaftlichen Fachveranstaltungen. Diese Vorträge befassen sich in verschiedenen Abwandlungen mit Landwirtschaft und Klimawandel sowie den Auswirkungen. Obstbauvereine oder Imkervereine kommen auf uns zu und wollen dahingehend Informationen. Bodenfeuchte, Trockenheit, Regen – das sind weitere große Themen.

VDI: Wie darf man sich denn die Verteilung der Wetterberichte vorstellen?

Andreas Brömser: Wetterberichte für die Landwirtschaft müssen zu bestimmten Zeitpunkten draußen sein bzw. werden an die entsprechenden Ämter der Länder geschickt, die diese dann über ihre Server weiter verteilen. Berichte für unser eigenes agrarmeteorologisches Portal „ISABEL“ erscheinen ebenfalls. Zum Beispiel arbeiten wir auch am Erntebericht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit.

VDI: Herr Brömser, wann spricht man eigentlich von Starkregen und Dürreperioden?

Andreas Brömser: Das ist beides gar nicht so leicht einzugrenzen. Der Deutsche Wetterdienst hat beim Starkregen Warnschwellen, die allerdings auch zeitabhängig sind. Wenn zum Beispiel eine gewisse Regenmenge in mehr als sechs Stunden fällt, dann zählt das als Starkregen.

Der DWD warnt vor Starkregen in drei Stufen (wenn voraussichtlich folgende Schwellenwerte überschritten werden):

Regenmengen 15 bis 25 l/m² in 1 Stunde oder 20 bis 35 l/m² in 6 Stunden

Regenmengen > 25 bis 40 l/m² in 1 Stunde oder > 35 l/m² bis 60 l/m² in 6 Stunden

Regenmengen > 40 l/m² in 1 Stunde oder > 60 l/m² in 6 Stunden

Starkregen ist als große Regenmenge in kurzer Zeit zu verstehen, ansonsten spricht man von Dauerregen. Auf der anderen Seite haben wir Trockenheit, gerne wird ja auch der Begriff Dürre verwendet. Fachlich spricht man tendenziell erst von Dürre, wenn der Boden so trocken ist, dass die Pflanzen unter deutlichem Trockenstress stehen. Das heißt auch, dass es hier je nach Jahreszeit einige Wochen ohne Niederschläge braucht, bis die Böden ausgetrocknet sind. Bei landwirtschaftlichen Pflanzen kann das mit Einbußen bei den Erträgen einhergehen.

VDI: Also sind Dürre und Trockenheit nicht dasselbe?

Andreas Brömser: Dürre ist der schärfere Begriff und bei der Verwendung sollten wesentliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Natur vorhanden sein. Eine Trockenheit bezeichnet eher ein Stadium, bei der manche Pflanzen Zeichen von Trockenstress zeigen. Das können zum Beispiel zusammengerollte Blätter sein.

VDI: Die Kombination von Dürreperioden und Starkregen ist ungünstig für die Landwirtschaft. Was sind denn hier die Auswirkungen?

Andreas Brömser: Durch den fortschreitenden Klimawandel werden Trockenperioden tendenziell häufiger und intensiver, sodass der Boden bis in größere Tiefen austrocknen kann. Haupttreiber dafür ist aber gar nicht mal die Veränderung der Niederschlagsmengen an und für sich. Die bleiben über die Jahre gesehen im Mittel relativ konstant. Der große Hauptpunkt ist, dass durch höhere Temperaturen eine stärkere Verdunstung eintritt. Zum Ausgleich müsste es mehr regnen, damit die Bodenfeuchte auf dem Niveau der vorigen paar Jahrzehnte bleibt. Dieses Plus an Regen haben wir nicht. Jetzt kommen wir auf den angesprochenen Starkregen zurück. Es kommt häufiger vor als früher, dass es in kurzer Zeit sehr viel regnet und dann diese Starkregenphasen durch lange Trockenperioden unterbrochen sind. Beim Starkregen ist es eben so, dass der Boden gar nicht so schnell diese großen Regenmengen in kurzer Zeit aufnehmen kann. Das wiederum bedeutet, dass ein relativ großer Anteil des Wassers direkt in den Abfluss geht, also in Flüsse und Bäche. Die Pflanzen haben davon nichts.

VDI: Wie kann denn die Agrarmeteorologie den Landwirten und Landwirtinnen helfen?

Andreas Brömser: Sie erhalten durch die Agrarmeteorologie nicht nur die Wetter- und grobe Niederschlagentwicklung für die nächsten Tage und können die Vorhersagen für ihre Arbeiten nutzen, zum Beispiel für Erntetermine. Sondern sie bekommen auch Prognosen für spezielle Größen wie Bodentemperatur, Bodenfeuchte oder für das Erreichen einer bestimmten Temperatur für die Aussaat. Bei langfristigen Entwicklungen können wir auch keine Vorhersage treffen. Es gibt zwar Ansätze für Jahreszeitenvorhersagen, doch diese sind nicht ausgereift genug. Was wir den Landwirten und Landwirtinnen aber an die Hand geben können: Es wird immer wichtiger, wassersparend den Boden zu bewirtschaften. Das kann gelingen, indem der Boden möglichst das ganze Jahr über mit Pflanzen bedeckt ist.

VDI: Bei unserer Recherche sind wir auf eine Aussage von Ihnen gestoßen – und zwar, dass Böden trotz teilweise gleicher Regenmengen trockener werden. Warum ist das so?

Andreas Brömser: Ja, das sind genau die Punkte. Einerseits höhere Temperatur, das heißt mehr Verdunstung und andererseits stärkere Niederschläge. Das heißt, ein geringerer Anteil von Regenwasser kommt wirklich im Boden und bei den Pflanzen an.

VDI: In Reutlingen ist dieses Jahr eine enorme Menge an Hagel heruntergekommen. Können Sie uns das lokale Ereignis einordnen?

Andreas Brömser: In den letzten Jahrzehnten ist keine große Veränderung in der Häufigkeit oder Heftigkeit von Hagelfällen feststellbar. Es gibt auch kein Signal dafür in den Klimavorhersagen.

VDI: Dürre, Trockenheit und Starkregen haben die Menschheit historisch betrachtet schon immer betroffen. Was ist jetzt anders? Und welche Entwicklungen sehen Sie kommen?

Andreas Brömser: In den letzten Jahren, vor allem seit 2018, haben sich bei uns lange Trockenperioden auffällig gehäuft. Tendenziell sind die Böden schon in den Jahrzehnten davor trockener geworden. Die Temperaturen steigen seit Ende des 19. Jahrhunderts leicht und in den letzten Jahrzehnten deutlich an, somit nimmt auch die Verdunstung zu.

Die Temperaturen werden auf jeden Fall in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten weiter ansteigen – unabhängig davon, was die Menschheit dagegen macht. Klimasysteme sind träge, wenn es zum Beispiel um die Erwärmung der Ozeane geht. Es ist wichtig, was in den nächsten Jahren in Sachen Klimaschutz passieren wird. Aber die Auswirkungen davon werden sich erst in den Jahrzehnten ab Mitte des Jahrhunderts so richtig stark zeigen. Klimaanpassung lautet daher das Stichwort.

VDI: Welche Daten werden hier zurate gezogen?

Andreas Brömser: Da kann ich gerne eine Einordnung geben. Wir hatten über lange Zeit einen 30-jährigen Klima-Referenzzeitraum von 1961 bis 1990. Warum 30 Jahre? Über diesen Zeitraum sollten sich die in den einzelnen Jahren unterschiedlichen Witterungsverläufe herausmitteln, so dass die langjährigen Mittelwerte sichtbar und die Werte der Einzeljahre mit diesen vergleichbar werden. Mittlerweile gibt es eine neue Vergleichsperiode von 1991 bis 2020. Für die Betrachtung des Klimawandels wird dennoch der Zeitraum von 1961 bis 1990 genommen. Beim Vergleich neuerer Werte mit diesem Zeitraum sieht man auf jeden Fall deutliche Temperaturveränderungen.

Andreas Brömser ist seit 2017 Meterologe beim deutschen Wetterdienst (DWD). Sein Fachgebiet: Agrarmeteorologische Beratung und Wetterprognosen mit dem Fokus auf Landwirtschaft und Klimawandel. Zuvor war Herr Brömser acht Jahre bei der UBIMET GmbH als Meterologe angestellt und hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert.

Das Interview führten Sarah Janczura und Eileen Knoßalla.

Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik
E-Mail: meg@vdi.de

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