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Interview

Wege zur klimaneutralen Wärmeversorgung

Bild: guteksk7/Shutterstock.com

Um den Klimawandel einzudämmen und die gesteckten Klimaziele zu erreichen, ist es dringend nötig die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Da der Gebäudesektor bis zu 40% des gesamten Energieverbrauchs in Europa ausmacht und so ein wichtiger Treiber der CO2-Emissionen ist, ist eine klimaneutrale Wärmeversorgung notwendig. Denn um die Erderwärmung zu begrenzen, müssen die Emissionen sowohl auf Gebäude- als auch auf Systemebene reduziert werden.

Wichtige erste Schritte auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung sind eine Energieeffizienzsteigerung der Gebäude, eine Umstellung auf erneuerbare Energien und eine intelligente Wärmespeicherung. Dazu gehören zum Beispiel die Installation von Wärmepumpen, der Einsatz von Solarthermie und Biomasseanlagen, aber auch der Ausbau von Fernwärmesystemen und die Förderung von intelligenten Energie-Managementsystemen. Neben der technischen Aspekte bedarf es auch eines gesteigerten Bewusstseins bei den Eigentümer von Gebäuden und den Verbrauchern von Heizwärme, denn sie können und müssen aktiv zur Energiewende beitragen.

Die Defossilisierung der Wärme- und Kälteversorgung muss entschieden vorangetrieben werden. Bislang ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeversorgung mit 16,5 % noch sehr gering. Die Transformation des Wärmesektors ist aufgrund der hohen Diversität an Technologien, Nutzungsarten und Akteuren besondere schwierig. Erfolgskritisch sind dabei die deutliche Erhöhung der Sanierungsquote des Gebäudebestandes, die Nutzung der Sektorenkopplung von Wärme, Strom und grünen Gasen sowie die klimaneutrale Bereitstellung von Prozesswärme und -kälte.

Ohne die Nutzung aller verfügbaren Bausteine zur Umsetzung einer klimaneutralen Wärmeversorgung wird Deutschland die klimapolitischen Ziele nicht erreichen.

Auch beim DIT 2023 werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen und Chancen einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Dipl.-Phys. Gerhard Stryi-Hipp, Vorsitzender des VDI-Fachausschusses Regenerative Energien (FARE), ist seit 30 Jahren im Bereich erneuerbarer Energien tätig. Er weiß um die Herausforderungen solch einer Transformation und wird in der Breakout-Session „Wege zur klimaneutralen Wärmeversorgung“ einen Impulsvortrag halten.

VDI: Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um das Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung zu erreichen? 

Stryi-Hipp: Die wichtigste Maßnahme für die klimaneutrale Wärmeversorgung von einzelnen Gebäuden ist die Elektrifizierung mit Wärmepumpen, denn künftig werden Sonne und Wind die wichtigsten Energiequellen sein, mit Wärmepumpen können sie am effizientesten genutzt werden. In den Städten mit hohen Energiebedarfsdichten müssen die Wärmenetze ausgebaut werden. Um diese mit Wärme zu versorgen, sind neben Wärmepumpen auch die Potenziale an Geothermie, Solarwärme und Abwärme zu erschließen, soweit diese ausreichend vorhanden sind. Biogas wird in Kraft-Wärme-Kopplung benötigt, um das Energiesystem zu stabilisieren und zusätzlich Wärme zu liefern. In ländlichen Gebieten kann Holz weiter eine wichtige Rolle spielen. Der Wärmemarkt ist divers, deshalb müssen viele verschiedene Maßnahmen zur Einführung klimaneutraler Wärmeerzeuger parallel angegangen werden, wobei jeweils an den konkreten Ort angepasste Lösungen auszuarbeiten sind. Deshalb ist auch die Entwicklung von kommunalen Wärmeplänen sehr wichtig. 

VDI: Was sind die größten Fallstricke?

Stryi-Hipp: 
Die größte Gefahr für die Transformation ist, die Größe der Aufgabe zu unterschätzen und nur auf kurzfristige Erfolge zu schielen. Die Transformation der Wärmeversorgung ist ein Marathon, der hoffentlich in 22 Jahren abgeschlossen sein wird, denn im Jahr 2045 wollen wir klimaneutral sein. Hierfür braucht es ein systematisches und langfristig orientiertes Vorgehen. Das Beispiel Wärmepumpen zeigt das sehr gut. Im Moment produzieren die Hersteller noch nicht genügend Wärmepumpen, es gibt nicht genug Handwerker, die die Wärmepumpen planen und einbauen können, die Investitionskosten sind höher als für Gasheizungen und vielfach wäre es sinnvoll, gleich noch das Haus zu dämmen. Diese Probleme sind real vorhanden. Aber ist es sinnvoll, vor den Problemen zu kapitulieren und stattdessen einen neuen, mit Erdgas oder Heizöl betriebenen Kessel einzubauen, der genau das macht, was wir vermeiden wollen? Wenn alle seriösen Studien zeigen, dass die Wärmepumpe in einem klimaneutralen Energiesystem der wichtigste Wärmeerzeuger sein wird, dann sollten wir nicht vor den genannten Problemen kapitulieren, sondern diese lösen. Die Industrie muss in die Produktion investieren, die Handwerker müssen geschult und die Markteinführung muss mit Förderprogrammen unterstützt werden. Genau das passiert jetzt auch gerade, doch viele Akteure sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht und kritisieren das Vorgehen mit wenig stichhaltigen Argumenten. Wichtig ist deshalb, dass Industrie, Wissenschaft und Politik klare Konzepte für die Wärmewende entwickeln und diese nachvollziehbar kommunizieren und sie dann konsequent umsetzen.

VDI: Wer soll die einzelnen Maßnahmen umsetzen?

Stryi-Hipp: 
Der Wärmemarkt ist, wie bereits erwähnt, sehr vielschichtig. Wir brauchen klimaneutrale Lösungen in allen Größen, von der Gasetagenheizung über die Heizanlage eines großen Wohnblocks bis zum Kohle-Heizkraftwerk mit Fernwärmeversorgung. Lösungen sind sowohl für die städtischen Gebiete als auch den ländlichen Raum zu entwickeln. Dabei spielt die Sektorenkopplung von Strom und Wärme und eine intelligente Steuerung des Energiesystems eine wichtige Rolle, denn nur so wird eine hohe Systemeffizienz erreicht. Innovative technische Lösungen sind die Grundlage. Die Wärmewende ist eine Aufgabe, an der viele verschiedene Akteure mitwirken, doch ohne engagierte Ingenieurinnen und Ingenieure, die für die konkrete Aufgabe vor Ort kompetent und kreativ die beste Lösung entwickeln, wird sie nicht gelingen. 

VDI: Warum lohnt es sich bei der Session zur Wärmeversorgung dabei zu sein?

Stryi-Hipp: 
Der Wärmesektor hat lange Zeit ein Schattendasein geführt, weshalb vielfach dessen Vielfalt und Komplexität unterschätzt wird. Für eine erfolgreiche Wärmewende muss jedoch fachlich fundiert diskutiert werden, welches die besten Lösungen sind. Der Fachausschuss Regenerative Energien des VDI will dazu beitragen. Allerdings wollen wir nicht auf der Seite der Bedenkenträger stehen, die nur auf die Probleme hinweisen, sondern innovative Lösungen vorstellen, die vielleicht nicht bequem umzusetzen sind, aber wirksam und zielführend den Klimawandel begrenzen können. Beim DIT wollen wir solche Ansätze diskutieren.

Interview: Gudrun Huneke

Fachlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Jochen Theloke
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt
Tel.:  +49 211 6214-369
E-Mail: theloke@vdi.de

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