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Risiken und Probleme

PFAS - Chemikalien für die Ewigkeit

Bild: AP Chanel/ Shutterstock.com

Ob beschichtete Pfanne, Funktionskleidung oder feuerfeste Schaumstoffe, PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien) sind aufgrund ihrer chemischen Struktur echte Alleskönner. Aber gerade weil PFAS nicht nur wasser-, fett- und schmutzabweisend sind, sondern auch stabil gegenüber Hitze und Chemikalien, gelten sie als Ewigkeitschemikalien. Da sie sich sehr langsam abbauen, reichern sie sich in der Umwelt und im Körper an und stellen so ein Risiko für Umwelt und unsere Gesundheit dar. 
Welche Chancen und Risiken PFAS mit sich bringen, erklären uns Jona Schulze und Dr. Tobias Frische vom Umweltbundesamt im Interview.

Was sind PFAS?

PFAS steht für Per- und Polyfluoroalkyl Substanzen. Der Begriff bezeichnet eine Gruppe organischer Moleküle, welche eine Kohlenwasserstoff-Kette als Grundgerüst haben, wobei die H-Atome ganz (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluor-Atome ausgetauscht wurden. Die genaue Größe dieser Gruppe ist unbekannt. Wir gehen derzeit davon aus, dass mehr als 10.000 einzelne Chemikalien unter diese Bezeichnung fallen. (Umweltbundesamt: Was sind PFAS?)

Wo werden sie eingesetzt und warum ist das problematisch? 

PFAS kombinieren einige – aus technischer Perspektive – nützliche Eigenschaften. Sie sind wasser-, schmutz- und fettabweisend, sowie stabil unter extremen Bedingungen (wie Hitze, Druck, Strahlung, Chemikalien). Zudem bieten sie elektrische und thermische Isolation und können aufgrund ihrer oberflächenaktiven Eigenschaften als Tenside genutzt werden.

Sie kommen darum in einer Vielzahl an Bereichen zum Einsatz zum Beispiel in Bauprodukten, Schmiermitteln, Transport-Fahrzeugen (PKW, LKW, Schiffe, Flugzeuge, Züge), oder Medizinprodukten. Sie werden in industriellen Prozessen wie bei der Herstellung von Halbleitern genutzt, sind aber auch in verbrauchernahen Produkten wie Kosmetik, Reinigungs- oder Imprägniermitteln oder Nahrungsmittelkontaktmaterialien zu finden.

Die technisch nützlichen Eigenschaften sind gleichzeitig Anlass zur Besorgnis im Blick auf das Verhalten in der Umwelt sowie die gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen und andere Lebewesen in der Umwelt.  Die grundsätzliche besorgniserregende Eigenschaft, welche PFAS aufgrund ihrer chemischen Struktur mit sich bringen, ist die Persistenz. Denn alle PFAS sind entweder selbst persistent, oder werden zu persistenten Verbindungen abgebaut. Persistenz bedeutet dabei, dass diese Substanzen unter Umweltbedingungen nicht auf natürlichem Wege (das heißt über die bekannten chemisch-physikalischem und biologischen Prozesse) abgebaut werden. Wenn sie einmal in die Umwelt gelangen, verbleiben sie dort für sehr lange Zeit und werden daher auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet.

Die Aufreinigung von PFAS-Kontaminationen z.B. im Boden und Grundwasser ist derzeit – wenn überhaupt – nur mit hohem technischem Aufwand in Verbindung mit hohen Kosten möglich. Zudem entstehen bei der Aufreinigung wieder kontaminierte Abfälle die entsorgt werden müssen. Einige PFAS sind zudem mobil (d.h. sie verteilen sich mit dem Wasserkreislauf) oder reichern sich in Mensch und Tier sowie entlang natürlicher Nahrungsketten an. Für wenige, gut untersuchte PFAS konnten zudem toxische Effekte auf Menschen oder Umweltorganismen festgestellt werden: beispielsweise Effekte auf das Immunsystem und Stoffwechselvorgänge, den Hormonhaushalt und auch der Verdacht krebserregender Wirkungen. Zusammenfassend gilt, dass aufgrund der Persistenz in Kombination mit den weiteren besorgniserregenden Eigenschaften (Anreicherung in Organismen und Giftigkeit) kein „vorsorglich-sicherer“ Schwellenwert für PFAS in der Umwelt abgeleitet werden kann. Wenn Freisetzungen in die Umwelt nicht minimiert werden, werden langfristig negative Effekte auftreten.

Haben Sie Beispiele, wie die PFAS in die Natur kommen?

PFAS können während ihres gesamt Lebenszyklus in die Umwelt freigesetzt werden. Das beginnt mit der Herstellung. Relevante Pfade sind zum Beispiel Abwässer oder die Abluft von Industrieanlagen. Während der Verarbeitung in Produkten oder Erzeugnissen oder der Verwendung dieser Produkte oder Erzeugnisse können ebenfalls PFAS in die Umwelt gelangen. Beispiele wären die Verwendung von PFAS-haltigen Feuerlöschschäumen oder das Auswaschen aus imprägnierten Textilien. Aber auch Leckagen aus Klimaanlagen können PFAS in Form von F-Gasen freisetzen. Schlussendlich können während der Entsorgung PFAS aus der unvollständigen Verbrennung oder dem Sickerwasser von Deponien freigesetzt werden.

Wie entstehen Hotspots und wo gibt es sie?

Kleinräumige PFAS-Hotspots sind Standorte mit hohen PFAS-Belastungen im Boden und/oder Grundwasser und stehen oft im Zusammenhang mit der Verwendung fluorhaltiger Löschschäume bei Feuerwehreinsätzen und -übungen, z.B. an Flughäfen und Militärstandorten.

Zudem gibt es großräumigere Hot-Spots infolge von Emissionen aus Anlagen der Fluorchemischen Industrie, hier wurden PFAS über Abluft und Abwasser in die Umwelt eingetragen.  Diese großräumigen Verunreinigungen liegen zumeist in Windrichtung oder in Bewässerungsbereichen der mit PFAS-belasteten Gewässern. Bekannte Beispiele in Europa sind: Altötting/Gendorf in Deutschland, die Veneto Region in Italien, Dordrecht in den Niederlanden, Zwijndrecht in Belgien. Neben Fluorchemischen Produktionsstandorten ist der Eintrag von PFAS in die Umwelt auch für Textilveredelungsbetriebe, Papierhersteller, lederverarbeitende Betriebe, Galvanikbetriebe, Hersteller von Feuerlöschmitteln, Hersteller von Elektronik und Elektrotechnik, sowie Verbrennungsanlagen bekannt und/oder vermutet. Weitere großflächige Verunreinigungen von Böden entstanden in der Vergangenheit  durch das Ausbringen von Klärschlämmen, Komposten und Bodenhilfsstoffen, die offensichtlich mit PFAS-haltigen Materialien belastet waren. In Deutschland bekannte Beispiele finden sich in Süddeutschland (Raststatt) und im Sauerlandkreis (Möhnetalsperre). 

Warum ist das erst jetzt aufgefallen?

Das Wissen über die besorgniserregenden Eigenschaften von PFAS ist in den letzten Jahrzenten immer größer geworden. Dementsprechend gab es auch mehr und mehr Regulierungen. Seit der Einführung der REACH Verordnung in 2007 gab es insgesamt 6 Verfahren um die Herstellung, die Verwendung und den Import bestimmter PFAS-Untergruppen zu beschränken. Neben Beschränkungen wurden in der EU von 2012 – 2023 einzelne PFAS als besonders besorgniserregende Substanzen (SVHC) identifiziert. Die bisherigen Ansätze zur Regulierung haben sich jedoch als unzureichend herausgestellt und es kam wiederholt zu bedauernswerten Substitutionen d.h. eine regulierte Chemikalie wurde durch eine andere ersetzt, welche sich später als ebenso besorgniserregend herausgestellt hat. Das soll in Zukunft mit dem Vorschlag die gesamte Stoffgruppe zu beschränken verhindert werden.

Können oder müssen verunreinigte Standorte saniert werden?

Die Sanierung von PFAS-kontaminiertem Boden und Grundwasser ist aufgrund der hohen Persistenz dieser Stoffe sehr aufwändig und kostspielig. Viele Verfahren, die bei anderen Schadstoffen eingesetzt werden, funktionieren bei PFAS nicht. Einige PFAS binden an Oberflächen und können daher mit Aktivkohlefiltern aus belastetem Grundwasser entfernt werden. Andere, insbesondere kurzkettigere PFAS lassen sich mit diesem Verfahren hingegen weniger gut beseitigen, hier laufen aber bereits Entwicklungsarbeiten zur Optimierung oder für alternative Technologien. Eine vollständige Entfernung von PFAS aus belasteten Böden ist nach heutigem Kenntnisstand nur durch eine Hochtemperaturbehandlung möglich, deren Wirksamkeit insbesondere von der Verweilzeit und Turbulenz in der Brennkammer abhängt. Allerdings verliert der Boden dadurch seine biologische Funktion und kann nur noch als Füllmaterial verwendet werden.

PFAS können auch durch Waschverfahren zumindest zum Teil aus Böden entfernt werden. Der Boden wird zunächst in verschiedene Korngrößenfraktionen sortiert. Aus der grobkörnigen Fraktion können PFAS herausgewaschen werden, die sich dann im Waschwasser wiederfinden. Dieses muss dann zusammen mit der feineren Kornfraktion, bei der die PFAS-Auswaschung nicht so effektiv ist, weiter behandelt bzw. verbrannt oder deponiert werden. Die erhebliche Massenreduzierung ist vorteilhaft, da sie die Sanierungskosten senken kann. Diese Methode ist in Deutschland bereits verfügbar. PFAS-haltige Böden können auch auf Deponien abgelagert werden, wobei die Kapazitäten der für diesen Abfall geeigneten Deponien in Deutschland begrenzt ist und daher keine langfristige Lösung darstellt. Um die Ausbreitung von PFAS in Böden und Grundwasser an Hot-Spot-Standorten in einem ersten Schritt einzudämmen, werden derzeit verschiedene Methoden zur Immobilisierung von PFAS erprobt, d.h. Methoden, die PFAS im Boden festhalten, so dass sie sich nicht weiter ausbreiten und verlagern können. Es ist jedoch noch nicht erwiesen, ob diese Methoden PFAS langfristig binden, da es hierzu bisher kaum Erfahrungen damit gibt. Die derzeitigen Standardtechnologien für Kläranlagen können PFAS nicht wirksam aus dem Abwasser entfernen. Sie müssten durch ähnliche Verfahrensschritte wie bei der Grund- bzw. Trinkwasseraufbereitung ergänzt werden, die jedoch teuer sind.

Welche Verantwortung trägt die Chemieindustrie daran?

Grundsätzlich gilt in der EU das Verursacherprinzip. Das heißt wenn durch unsachgemäße Handhabung oder Entsorgung Kontaminationen in der Umwelt entstehen müssen diese vom Verursacher beseitigt werden. Um die Umwelt effektiv vor negativen Einflüssen durch Chemikalien zu schützen sollte man allerdings früher Ansetzen und verhindern, dass für Mensch und Umwelt potenziell gefährliche Chemikalien überhaupt in die Umwelt gelangen. Dazu gehört auch den gesamten Lebenszyklus von Chemikalien bereits bei der Herstellung mitzudenken. Die Chemische Industrie sollte daher ihr Augenmerk auf „safe and sustainable by design“ legen. In der Vergangenheit wurde zu häufig nur nach „Drop in“ Alternativen zu besorgniserregenden Chemikalien gesucht und dabei lediglich die technische Funktion während der Verwendung berücksichtigt. Daher kam es, gerade im Kontext PFAS, wiederholt zu sogenannten „bedauernswerten Substitutionen“ (zum Begriff siehe oben).

Gibt es unbedenkliche Ersatzstoffe?

Das kommt darauf an, welche Verwendungen von PFAS man betrachtet. Vor allem in sog. verbrauchernahen Anwendungen sind PFAS bereits heute ersetzbar. Viele Textilien z.B. Outdoorkleidung, Teppiche oder Stoffbezüge für den privaten Gebrauch können auch durch Wachse oder nicht-fluorierte Kohlenwasserstoffe wasserdicht gemacht werden. Oder man setzt auf natürliche Stoffe wie Wolle die von sich aus wasserabweisend sind. Bei Pfannen oder anderem Kochgeschirr kann man auch auf Produkte aus Eisen oder Emaille umsteigen. Die brennen bei richtiger Handhabung auch nicht an und sind sogar langlebiger.

Andere Bereiche wie beispielsweise die Verwendung in bestimmten Medizinprodukten oder in industriellen Prozessen sind komplizierter. Hier ist die Erforschung von Alternativen teilweise noch ganz am Anfang.

Publikation des Umweltbundesamtes: PFAS - Gekommen, um zu bleiben

Autoren:
Jona Schulze hat Umweltwissenschaften und Ökotoxikologie studiert. Seit Anfang 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Umweltbundesamt und seitdem in die Erarbeitung des Vorschlags zur Beschränkung von PFAS unter REACH involviert.

Dr. Tobias Frische, Diplom-Biologe - Ökotoxikologe. Langjährig in der Umweltrisikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihren Wirkstoffen (Vollzug Pflanzenschutzgesetz) im Umweltbundesamt (UBA) tätig, dabei fachliche Arbeitsschwerpunkte u.a. Boden, Endokrine Disruptoren und Mischungstoxizität. Seit Januar 2022 im Fachgebiet II 2.6 „Maßnahmen des Bodenschutzes“ mit Arbeitsschwerpunkt im Projekt „Ableitung von Bodenwerten für PFAS“.

Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. rer.nat. Ljuba Woppowa
VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen
Telefon: +49 211 6214-314
E-Mail-Adresse: woppowa@vdi.de

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