Lösungen für die zeitgemäße Instandsetzung von Baudenkmalen

Frau Schöfer ist studierte Architektin und engagiert sich seit einigen Jahren ehrenamtlich in der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik: Sie ist Vorsitzende des Richtlinienausschusses zur VDI/WTA 3871 „Baudenkmale und denkmalwerte Gebäude“ und unterstützt darüber hinaus mit ihrem Fachwissen den VDI-Fachbeirat Architektur. Im Interview erklärt Saskia Schöfer, warum Baudenkmale ein unwiederbringlicher Teil unserer Kulturgeschichte sind und worauf es bei ihrem Erhalt und einer zeitgemäßen Instandsetzung ankommt.
VDI: Warum ist Denkmalschutz wichtig und welche Herausforderungen bestehen für den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude?
Saskia Schöfer: Denkmalschutz und Denkmalpflege wollen das Bewusstsein für die eigene Geschichte anhand von Zeugnissen aus der Vergangenheit bewahren. Baudenkmale stellen eine unwiederbringliche, kulturelle und oft auch identitätsstiftende Ressource dar, die es zu schützen und für künftige Generationen zu erhalten gilt. Das Baudenkmal ist sozusagen ein Datenspeicher mit den unterschiedlichsten Informationen über Bauformen, Handwerkstechniken und Materialwahl, aber auch über Nutzungen und Lebensweisen vergangener Epochen. Im Gegensatz zu einem digitalen Datenspeicher ist der „Datenspeicher Denkmal“ ein Unikat, das weder kopiert noch reproduziert werden kann. Die Erhaltung der Originalsubstanz eines Denkmals ist daher ein wesentliches Ziel der Denkmalpflege.

VDI: Und über was für Gebäude sprechen wir überhaupt?
Saskia Schöfer: Baudenkmale umfassen alle Arten von Bauwerken: unter anderem Wohnbauten, Sonderbauten wie Kirchen, öffentliche Gebäude und Schlösser, Bauten für Industrie, Handwerk und Landwirtschaft - jeweils in unterschiedlichen Bauweisen und aus verschiedenen Bauepochen. Die Materialien sind vielfältig und reichen von Holz und Lehm über Ziegel und Naturstein bis hin zu Beton- und Stahlkonstruktionen. Baudenkmale stehen stellvertretend für eine Bauepoche und vermitteln anschaulich die Architektursprache ihrer Zeit.
Baudenkmale sind nachhaltig
VDI: Oft heißt es Denkmalschutz verhindere die energetische Ertüchtigung. Stimmt das oder wo sind die Grenzen?
Saskia Schöfer: Aufgrund ihrer langen Lebensdauer, ihrer Reparaturfähigkeit und der verwendeten Materialien tragen Baudenkmale zur Reduktion von Treibhausgasen und damit zum Klimaschutz bei. Kurz gesagt: Sie sind nachhaltig. Dieser Vorteil wird aus meiner Sicht (noch) zu selten gesehen. Dennoch ist es sinnvoll, Baudenkmale energetisch zu ertüchtigen, um sie zeitgemäß zu nutzen und den Energieverbrauch zu senken. So unterschiedlich und vielfältig die Bausubstanz ist, so individuell sind hier die Lösungsmöglichkeiten.
VDI: Können Sie Beispiele nennen, wo Denkmalschutz und Energieeffizienz erfolgreich kombiniert wurden?
Saskia Schöfer: Auch wenn die denkmalwerte Bausubstanz und das Erscheinungsbild nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfen, lassen sich Baudenkmale energetisch ertüchtigen. Hier einige Beispiele:
- Historische Holzfenster sind meist nur einfachverglast und damit undicht. Dadurch geht viel Energie verloren. Statt die Fenster komplett auszutauschen, helfen Dichtungen und Vorsatzscheiben mit Isolierverglasung, um die Energieeffizienz zu erhöhen.
- Innen- oder Hohlraumdämmungen ermöglichen, korrekt geplant und ausgeführt, eine effiziente Dämmung von Wänden, ohne die gestalteten Außenfassaden baulich und optisch zu verändern.
- Bei nicht ausgebauten Dächern lassen sich leicht entweder die obersten Geschossdecken oder die Zwischen- und Untersparrenbereiche dämmen, ohne die Dacheindeckung und Dachanschlüsse zu verändern.
Gelungen sanierte Baudenkmäler
v.l.n.r.: Deutsches Bergbaumuseum, Verwaltungsgebäude der Bogestra und Ruhr-Universität in Bochum sowie Schloß Beck in Bottrop
Unser Ziel: ermöglichen, nicht verhindern
VDI: Wie gehen Sie mit Konflikten zwischen Denkmalschutzvorgaben und Klimazielen um?
Saskia Schöfer: Konflikte entstehen durch Forderungen nach maximaler Energieeinsparung, durch mangelnde Planung und eine fehlende Berücksichtigung des Denkmalwerts. Besteht die Gefahr, dass ein Baudenkmal durch energetische Ertüchtigungsmaßnahmen optisch oder substanziell erheblich beeinträchtigt wird, suchen wir gemeinsam nach konkreten Lösungen und Alternativen. Ziel ist immer: ermöglichen statt Verhindern. So kann beispielsweise die Nutzung erneuerbarer Energien durch eine dezent gestaltete Photovoltaikanlage auf der vom öffentlichen Raum nicht einsehbaren Dachseite realisiert werden.
Vielfältigkeit trifft auf Standardlösungen

VDI: Warum gibt es keine oder nur wenige standardisierte Lösungen im Denkmalschutz?
Saskia Schöfer: Die Vielfalt der Baudenkmale steht standardisierten Lösungen bei der Sanierung und Modernisierung entgegen. Unterschiedliche Bautypen, Konstruktionen und Materialien erschweren meist die Anwendung üblicher Standards aus der (Neu-)Bauindustrie.
So ist beispielsweise ein ausreichender Trittschallschutz in einem Bürogebäude mit Betondecken der Nachkriegsmoderne leichter zu erreichen als in einem historistischen Mehrfamilienhaus mit Holzbalkendecken. Bei der Fassadensanierung und -dämmung eines Fachwerkhauses kommen andere Verfahren und Materialien zum Einsatz, als bei einer Vorhangfassade mit Natursteinplatten oder einer Sichtbetonaußenwand.
Eine weitere Herausforderung stellen die standardisierten Berechnungsprogramme dar: Werden Dach- und Deckenkonstruktionen im Baudenkmal jedoch individuell mit bestandsangepassten Parametern berechnet, lassen sich ihre Standsicherheit und Funktionstüchtigkeit zumeist nachweisen.
VDI: Welche Rolle spielen moderne Technologien und Materialien bei der Erarbeitung individueller Konzepte?
Saskia Schöfer: In der Denkmalpflege legen wir großen Wert auf Substanzerhaltung und Materialgerechtigkeit. Die Reparatur und Instandsetzung von Gebäuden oder auch nur einzelner Bauteile hat immer Vorrang vor dem Ersatz. Ist ein Austausch dennoch unumgänglich, erfolgt er möglichst konstruktions- und materialgetreu. Hier haben sich traditionelle Handwerkstechniken und Materialien wie klassisches Zimmermannshandwerk, Lehmputze oder Kalkanstriche ebenso bewährt wie modernere Materialien und Reparaturtechniken bei den Baudenkmalen der Nachkriegsmoderne.
Insbesondere im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung und beim Brandschutz tragen auch neue Technologien, wie beispielsweise mit LED aufgerüstete Leuchtkörper, Flächenheizungen mit sehr geringen Aufbauhöhen oder besonders feine Nebelsprühanlagen dazu bei, denkmalwerte Substanz zu bewahren und zu schützen.
Überarbeitete und erweiterte Richtlinienreihe zu Erhalt und zeitgemäßer Nutzung von Baudenkmalen und denkmalwerten Gebäuden
VDI: Können Sie ein konkretes Best-Practice-Beispiel nennen, um das Problem aber auch die Lösung zu veranschaulichen?
Saskia Schöfer: Die Denkmalpflege hat sich zum Beispiel schon früh damit auseinandergesetzt, wie sich Energieeffizienz und erneuerbare Energien auf die Bausubstanz und das Erscheinungsbild der gebauten Umwelt auswirken. Das Gebäudeenergiegesetz sieht daher eine entsprechende Ausnahmeregelung für Baudenkmale vor. Das Fördersonderprogramm „KfW-Effizienzhaus Denkmal“ ermöglicht es zudem entsprechend qualifizierten Energieberatern im Baudenkmal, das Gebäude energetisch als Ganzes zu betrachten und dem Denkmal angepasste Zielwerte zu erreichen.
Werden Baudenkmale saniert, instandgesetzt oder restauriert, stehen Baufachleute auch in anderen Bereichen vor besonderen Herausforderungen: Bei Planung, Bauausführung und Gewährleistung sind Vorschriften und Normen häufig nur für Neubauten, nicht aber für Bestandsgebäude konzipiert und berücksichtigen erst recht keine denkmalpflegerischen Aspekte. Diese Lücke schließt die überarbeitete und deutlich erweiterte Richtlinienreihe VDI/WTA 3817 „Baudenkmale und denkmalwerte Gebäude“. Sie zeigt auf, wie Baudenkmale und denkmalwerte Gebäude erhalten und zeitgemäß genutzt werden können. Technische Gebäudeausrüstung, Brandschutz und Barrierefreiheit spielen dabei ebenso eine Rolle, wie beispielsweise Wärme-, Feuchte- und Schallschutz.
Entsprechende Handlungsanleitungen, Checklisten und Bewertungskriterien unterstützen alle an Bau- oder Umbaumaßnahmen Beteiligte, Personen, die Baudenkmale besitzen, nutzen und betreiben und nicht zuletzt Fachleute in den Denkmalbehörden.
VDI: Was wünschen Sie sich für die Zukunft, um die Vereinbarkeit von Denkmalschutz und Klimazielen zu verbessern?
Saskia Schöfer: Die schon bestehende Vereinbarkeit von Denkmalschutz und Klimazielen ließe sich aus meiner Sicht verbessern, wenn die Energieeinsparpotenziale ganzheitlicher und nicht nur auf die Verbräuche bezogen betrachtet würden.
Denn: Ein Baudenkmal besteht zumeist aus natürlichen und regionalen Baustoffen und hat einen langen Nutzungszyklus. Die Erhaltung, Weiter- oder Umnutzung von Denkmalen ist daher äußerst ökologisch und ressourcenschonend und sollte in der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsdebatte einen höheren Stellenwert einnehmen.
Das Interview führte Gudrun Huneke.
Redaktion: Alice Quack

Saskia Schöfer ist Vorsitzende des Richtlinienausschusses VDI/WTA 3871 „Baudenkmale und denkmalwerte Gebäude“. Außerdem unterstützt sie mit ihrer Expertise den VDI-Fachbeirat Architektur. Ihr weiteres Engagement umfasst die Mitgliedschaft in der AG Bautechnik der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern sowie im Beirat `Energieberatende im Baudenkmal´ der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege GmbH (WTA).
Nach ihrem Studium der Architektur an der Universität Dortmund absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat und war anschließend Referentin am Westfälischen Amt für Denkmalpflege in Münster.
Von 1990 bis 2009 freiberuflich in den Bereichen Denkmalpflege, Bauen im Bestand und Stadterneuerung in Indonesien, Südkorea und Taiwan tätig, ist Frau Schöfer seit 2009 wissenschaftliche Referentin in der Praktischen Denkmalpflege der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen. Ihre Zuständigkeiten erstrecken sich auf den Kreis Lippe und die Stadt Bochum, sowie den Schwerpunkt Bautechnik.
Fachlicher Ansprechpartner:
Rouven Selge, M. Eng.
VDI-Fachbereich Architektur
E-Mail: architektur@vdi.de