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Novel Food

Is(s)t die Zukunft fleischlos?

Bild: Pintau Studio/Shutterstock.com

Novel Food: Neuartige Lebensmittel liegen im Trend. Neben exotischen Früchten könnten Algen, Insekten aber auch Lebensmittel aus Zellkulturen zukünftig Fleisch und Fleischerzeugnissen den Rang ablaufen.

Der Begriff Novel Food stammt aus der gleichnamigen EU-Verordnung aus dem Jahr 2015 und steht für neuartige Lebensmittel. Gemeint sind solche, die vor dem 15. Mai 1997 in der EU praktisch nicht für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. So zählen zum Novel Food unter anderem exotische Samen und Früchte, algen- oder insektenbasierte Nahrung sowie Lebensmittel aus Zellkulturen.

In Deutschland wächst die Offenheit gegenüber neuen Lebensmitteln. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat 2022 begleitend zum aktuellen Ernährungsreport eine repräsentative Umfrage gestartet. Demnach setzen über die Hälfte der Befragten auf den verstärkten Konsum von pflanzlichen Alternativen für Fleisch und Fleischerzeugnisse. Rund ein Drittel betrachten künstlich im Labor hergestelltes Fleisch als Chance für eine ausreichende Lebensmittelversorgung. Bei den 14 bis 29-Jährigen sind es sogar 45 Prozent.

Das Ernährungsverhalten muss sich ändern

Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf circa 10 Milliarden Menschen wachsen. Damit verbunden wird immer mehr sichere und gesunde Nahrung benötigt. Die gegenwärtige Produktion von Lebensmitteln - insbesondere die industrielle Fleischproduktion - ist für einen beträchtlichen Anteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Umgekehrt bedroht der Klimawandel durch Dürren, Überschwemmungen und den Verlust der Artenvielfalt die Lebensmittelproduktion. Das Ernährungsverhalten gerade in den Industrieländern müsse sich ändern, weg vom gegenwärtig zu hohen Fleischkonsum, so die allgemeine Meinung von Fachleuten. Daneben werden biotechnologische Innovationen immer wichtiger, wie beispielsweise die zielgerichtete Veränderung des Erbguts von Nutzpflanzen, um sie ertrag- und nährstoffreicher zu machen, aber auch resistenter gegen Hitze und Versalzung.

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Fleisch aus dem Labor

Kekse aus gemahlenen Heuschrecken

Anfang des Jahres 2023 wurden in der EU erstmals gefrorene, getrocknete und zu Pulver verarbeitete Hausgrillen als Lebensmittel zugelassen. Insekten haben einen hohen Gehalt an Proteinen und Vitaminen und sie zu züchten hat einige Vorteile: weniger Treibhausgasemissionen, weniger Wasser- und Flächenverbrauch. Schon seit längerem dürfen Wanderheuschrecken und Mehlwürmer, unter anderem gemahlen als Zutat in Keksen verarbeitet werden. Eine entsprechende Kennzeichnung auf der Zutatenliste ist allerdings verpflichtend.

Neben insekten- oder algenbasierten Lebensmitteln sind Lebensmittel aus Zellkulturen dabei, sich ihren Platz als Nahrung der Zukunft zu erobern.

Ist „zelluläre Landwirtschaft“ die Lösung?

Für die Herstellung des sogenannten In-vitro-Fleisches werden tierische Stammzellen in einem Bioreaktor unter Zugabe von Nährlösungen und Wachstumsserum für circa 10 Tage kultiviert. Mit Hilfe von verdaulichen Trägergerüsten, verantwortlich für die Ausbildung von Muskelzellen und -fasern, reifen die Stammzellen zu Fleischsubstituten heran. So entsteht eine dem Hackfleisch ähnliche Masse aus Muskelgewebe und Fettzellen, die optisch und geschmacklich dem Schlachtfleisch gleicht, beziehungsweise möglichst nahekommt. In-vitro-Fleisch ist allerdings so gut wie nicht mit Antibiotika und anderen Medikamentenrückständen belastet.

Diese auch „zelluläre Landwirtschaft“ genannte Technologie könnte künftig mehr und mehr zu einer nachhaltigen Lebensmittelherstellung beitragen, insbesondere, wenn dadurch Landfläche eingespart und die Massentierhaltung in der existierenden Form reduziert wird. Allerdings ist der Energieverbrauch in der zellulären Landwirtschaft zurzeit noch sehr hoch, und ganz ohne Tierleid geht es aktuell auch noch nicht. Für die Nährlösung wird fetales Kälberserum benötigt, für die Trägergerüste tierisches Kollagen. Allerdings gibt es schon erste Ansätze, in denen die Kulturmedien ganz ohne tierische Komponenten auskommen.

Bereits 2030 könnte der Anteil am Welt-Fleischmarkt ein halbes Prozent betragen

Die wirtschaftlichen Chancen für In-vitro-Fleisch-Produkte stehen gut. Einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey zufolge könnte schlachtfreies Fleisch aus dem Bioreaktor im Jahr 2030 schon ein halbes Prozent des Weltmarkts für Fleisch ausmachen. Dies würde einer Menge von anderthalb Millionen Tonnen und einem Umsatz von 25 Milliarden US-Dollar entsprechen. Die größten Herausforderungen: kostengünstige Kulturmedien und ausreichende Bioreaktorkapazitäten, nicht zu vergessen die aufwändigen Genehmigungsverfahren für Novel Food Produkte.

In Deutschland gibt es schon heute eine Reihe aussichtsreicher Novel Food-Startups für schlachtfreies Fleisch, schlachtfreien Fisch oder tierfreien Käse. Wann es das erste In-vitro-Fleisch im Supermarkt zu kaufen gibt, ist momentan noch nicht absehbar.

Autoren: Martin Follmann, Alice Quack

Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Martin Follmann
VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences
Fachbereich Biotechnologie
E-Mail: follmann@vdi.de 

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