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Erneuerbare Energien

Fotovoltaik-Anlagen bald auf jedem Dach?

Bild: Gerrit Pluister / Shutterstock.com

In Deutschland waren Ende 2020 rund 53,9 GW in mehr als 1,9 Mio. Fotovoltaik-Anlagen installiert. Dies entspricht bei einer mittleren Sonneneinstrahlung potenziell der Produktion von ca. 51 TWh (2020) an elektrischer Energie. Aufgrund des realisierten Ausbaus sowie eines überdurchschnittlichen Solarstrahlungsangebots haben diese Anlagen knapp 9 % der Bruttostromerzeugung im Jahr 2020 bereitgestellt.

Im Vergleich dazu waren weltweit im Jahr 2019 627 GW an Fotovoltaik-Leistung (750 GW Ende 2020) installiert gewesen. Fotovoltaik ist die weltweit am schnellsten wachsende Technologie zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, gefolgt von Windenergie.

In den letzten Jahren gewinnen in Deutschland auch Eigenversorgungsanlagen zunehmend und schnell an Bedeutung, die keine signifikante Einspeisung ins Netz realisieren und insbesondere den Netzstrombezug der jeweiligen Betreiber reduzieren. Sie sind gegebenenfalls mit Batteriespeichern gekoppelt zur Maximierung des jeweiligen Deckungsgrads und/oder realisieren Power-to-Heat-Anwendungen. Da kein signifikanter Stromverkauf an Dritte vorgesehen ist, dürften viele derartiger Anlagen nicht offiziell angemeldet sein. Da sich für Haushaltskunden selbst Einzelmodulanlagen zum Anschluss an das Hausnetz über eine Steckdose ökonomisch rechnen können, wächst dieses Segment weiterhin schnell an. Für Ende 2020 kann eine installierte Fotovoltaik-Leistung in derartigen Anlagen, die nicht über eine öffentliche Umlage vergütet werden, von über 0,1 GW vermutet werden.

Kosten- und Wirkungsgradentwicklungen

Die Stromerzeugung durch Fotovoltaik-Anlagen war in den letzten Jahren durch einen beispiellosen Preisverfall gekennzeichnet. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts (Jahre 2010 bis 2020) war ein Preisrückgang für Gesamtsysteme auf rund 20 % (das heißt Reduktion um rund 80 %) zu beobachten. Und diese Aussage gilt vom Grundsatz her für nahezu alle Nationalstaaten und damit auf einer globalen Ebene. 

Parallel dazu hat der durchschnittliche Wirkungsgrad der jeweils marktgängigen Zellen und Module merklich zugenommen. Gleiches gilt, wenn gegebenenfalls mit Einschränkungen, auch für andere Systemkomponenten und hier insbesondere für den Wechselrichter oder Inverter. Heute marktgängige Module auf der Basis monokristalliner Zellen weisen Wirkungsgrade von rund 18 % und polykristalline Module von knapp 17 % auf. 

Damit wird am Markt unter anderem deutlich:

  • ein zunehmend effizienterer Materialeinsatz (beispielsweise dünnere Zellen), 
  • Einsatz weiterer, kostengünstigere Materialen, 
  • eine verbesserte Langzeitstabilität der angebotenen Module, 
  • weiter ansteigende Wirkungsgrade bei praktisch allen entsprechenden Komponenten und 
  • eine effizientere Systemintegration. 

Die Zell- und Modulherstellung wird global von asiatischen Herstellern dominiert. Unter den Top-10-Herstellern 2019 kommen acht Produzenten aus dem asiatischen Raum und keiner aus Europa. Strategische Fehler der deutschen und europäischen Politik haben zu einem Verlust lokaler Industrieunternehmen in der Fotovoltaik-Branche geführt. Nur im Wechselrichtermarkt kommt der größte Hersteller nach wie vor aus Deutschland.

Stromgestehungskosten für Fotovoltaik-Anlagen

Kleinanlagen:
Die durchschnittlichen Stromgestehungskosten für Fotovoltaik-Kleinanlagen in Deutschland belaufen sich derzeit – je nach Standort – auf weniger als 0,08 €/kWh (Stand 2020). Damit liegen die fotovoltaischen Stromgestehungskosten weit unter dem Strompreis, den Privathaushalte derzeit für einen Bezug von elektrischer Energie aus dem Netz der öffentlichen Versorgung bezahlen müssen. 

Aus diesem Grund installieren mehr und mehr Privathaushalte, primär im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser, Fotovoltaik-Systeme außerhalb des vorhandenen Förderregimes und reduzieren dadurch ihren Bezug an elektrischer Energie aus dem Netz. 

Groß-Anlagen:
Auch die Preise für Strom aus Fotovoltaik-Großanlagen sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Heute sind durchschnittliche Stromgestehungskosten für Fotovoltaik-Großanlagen in Deutschland, je nach Standort, von rund 0,05 €/kWh und z. T. auch weniger möglich (Stand 2020). Damit liegt der Preis teilweise unter dem Strompreistarif, den Unternehmen – je nach den vertraglichen Gegebenheiten und der Unternehmensgröße oder den jeweils gegebenen gesetzlich geregelten Ausnahmetatbeständen – an den jeweiligen Energieversorger bezahlen müssen. Dies hat auch hier zur Konsequenz, dass mehr und mehr Unternehmen außerhalb des vorhandenen Förderregimes Fotovoltaik-Systeme auf ihrem Betriebsgelände installieren und dadurch den Bezug an elektrischer Energie aus dem Netz der öffentlichen Versorgung reduzieren. 

Neue Einsatzbereiche

Der Preisverfall erlaubt immer mehr einen Einsatz der Fotovoltaik an Standorten, die nicht zwingend aus energiewirtschaftlicher Sicht „optimal“ sein müssen. Das bedeutet, dass Fotovoltaik-Anlagen potenziell zunehmend unter anderem bei Dachflächen neben einer Südausrichtung auch in Ost-/Westausrichtung installiert, in die Gebäudehülle integriert, an Fassaden angebracht, über Wartehäuschen installiert und über Parkplätzen errichtet werden. Damit eröffnen sich eine Vielzahl an „neuen“ Möglichkeiten für Architekten und/oder Bauplaner für die Realisierung von innovativen und weitgehend autarken Gebäudeenergieversorgungssystemen, die – sofern die gültigen Rahmenvorgaben entsprechend innovative Lösungen erlauben – kostengünstig zu einer Defossilisierung des Gebäudesektors beitragen können. 

Auch deshalb ist zu erwarten, dass Fotovoltaik-Module in der näheren Zukunft immer mehr das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden (mit-)bestimmen werden. Diese Entwicklung erzwingt auch eine Erweiterung des Fotovoltaik-Modulangebots, das auch den Wünschen der Architekten (und der Bauherren) immer mehr Rechnung tragen muss. Diese Entwicklung könnte auch helfen, den bisher nach wie vor hohen Akzeptanzgrad zu erhalten. 

Mit Fotovoltaik Wärme erzeugen?

Zunehmend werden in Deutschland Systeme angeboten, mit denen über Fotovoltaik-Module primär die Wärmenachfrage beispielsweise eines Ein- oder Zweifamilienhauses gedeckt wird (sog. Sektorenkopplung). Dies ist im Vergleich zu solarthermischen Systemen anlagentechnisch einfacher, da dann kein Wärmeträgermedium durch die Anlage gepumpt werden muss. Und die Tatsache, dass mit einem derartigen Konzept auch ein Teil des Strombezugs des jeweiligen Ein- oder Zweifamilienhauses reduziert werden kann, macht diese Möglichkeit aus ökonomischer Sicht für viele Haushaltskunden noch attraktiver. Auch deshalb ist eine starke Ausweitung des Angebots derartiger Systeme am Markt zu beobachten. 

Eine Kopplung mit einer Wärmepumpe zur Beheizung und Kühlung bei gleichzeitiger Nutzung des gesamten versorgten Hauses als Wärme- bzw. Kältespeicher verbessert die Wirtschaftlichkeit und damit die Akzeptanz eines derartigen Konzepts noch weiter. Diese Lösung dürfte aber energiewirtschaftlich sinnvoll nur in gut wärmegedämmten Gebäuden mit einer Niedertemperaturheizung oder einer Flächenkühlung sein.

Solche Systemansätze dürften zukünftig mehr und mehr an energiewirtschaftlicher Bedeutung und an Marktbedeutung bzw. -durchdringung gewinnen. Sie können auch unter ausschließlich kommerziellen Aspekten insbesondere im Neubausektor schnell mehr Marktanteile gewinnen. Erste derartige Entwicklungstendenzen zeichnen sich bereits am Markt in Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern ab.

Autor: 
Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt,
Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE), Technische Universität Hamburg

Ihre Ansprechpartnerin im VDI:
Dr.-Ing. Eleni Konstantinidou
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt
E-Mail-Adresse: konstantinidou@vdi.de

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