Erste Moormanagerin im Greifswalder Moor
94 Prozent der Moore in Deutschland sind trockengelegt, was heute in Sachen Klimaschutz von Nachteil ist. Annie Wojatschke hat sich als Moormanagerin in Greifswald zur Aufgabe gemacht, nasse Moore zu erhalten und trockengelegte Moore wiederzuvernässen, und damit die Freisetzung von Treibhausgasen einzudämmen. Im Interview berichtet sie von ihrem Arbeitsalltag und welche Anreize für unsere Zukunft jetzt gesetzt werden müssten.
Frau Wojatschke, wie wird man Moormanagerin?
Wojatschke: Zunächst habe ich Biologie hier in Greifswald studiert und mich in meiner Diplomarbeit mit dem der Entstehung und Geschichte von Mooren befasst. Nach anderen Stellen habe ich während meiner Elternzeit die Position als Moormanagerin in Greifswald gesehen und das hat mich direkt angesprochen. So eine Stelle gab es vorher auch noch nicht, wobei es mittlerweile auch Kollegen in moorreichen Landkreisen in Bayern gibt.
Wieviel Moorflächen managen Sie denn?
Wojatschke: Mecklenburg-Vorpommern ist moorreich. Innerhalb der Stadtgrenzen von Greifswald gibt es über 400 Hektar Moor. Die Stadt hat zudem noch mehrere 100 Hektar Moor in anderen Gemeinden, die sich über verschiedene Landkreise erstrecken. Greifswald möchte bis 2035 klimaneutral sein. Dazu leistet die Moorwiedervernässung einen wichtigen Beitrag.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wojatschke: Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir uns um die Treibhausgasemissionen kümmern. Das ist in Mecklenburg-Vorpommern ein enormer Faktor, da bei uns über ein Drittel der anfallenden Emissionen aus trockengelegten Mooren entstehen. Das ist schon eine Größenordnung und liegt auch daran, dass wir hier weniger Industrie haben. Im Zuge dessen stellen sich aber auch einige Fragen, wenn die Flächen wieder vernässt werden sollen. Fallen zum Beispiel Landwirte und Landwirtinnen aus der Pacht dieser trockengelegten Flächen? Mit diesen Aufgabenstellungen befasse ich mich. Dazu gehört auch eine Moorschutzstrategie, die Anfang Dezember von der Bürgerschaft Greifswald beschlossen wurde. Momentan bin ich dabei, sie auf verschiedenen Veranstaltungen vorzustellen.
Wie darf man sich einen Arbeitstag als Moormanagerin vorstellen?
Wojatschke: Tatsächlich besteht die Hauptaufgabe momentan im Reden und Vernetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und Fördergelder einzuwerben und Mitstreiter zu finden. Moore enden nicht an der Grundstücksgrenze, sodass ich auch mit anderen Eigentümern zu tun habe. Andere Akteuere sind zum Beispiel der Wasser- und Bodenverband, Landwirte und Landwirtinnen, Moorexperten sowie Behörden. Ein weiterer Baustein sind Moore als Instrument der Klimafolgenanpassung, denn sie können bei Starkregen oder Binnenhochwasser als Wasserspeicher dienen. Außerdem kühlen sie die Umgebungstemperatur und haben damit Einfluß auf das lokale Klima. Aktuell sind 94 Prozent der Moore in Deutschland trockengelegt. Das bedingt leider auch, dass auf diesen Lebensraum spezialisierte Tier- und Pflanzenarten gefährdet sind.
Was hat es für einen historischen Hintergrund, dass 94 Prozent der Moore trockengelegt sind?
Wojatschke: Die ersten Trockenlegungen fanden schon im Mittelalter statt. Oftmals geht und ging es auf die landwirtschaftliche Nutzung zurück oder um dort Orte zu errichten. In der Lausitz zum Beispiel wurden teils sehr kleine Grundstücke in Moorwiesen vergeben, auf denen Heu gemacht werden konnte, weil die restliche Umgebung zu trocken war um sie landwirtschaftlich zu nutzen und die Moorflächen einen besseren Ertrag versprachen. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Moorkultivierung im 20. Jahrhundert und besonders ab den 1960er-Jahren. Deutschlandweit handelt es sich insgesamt um 1,8 Millionen Hektar trocken gelegte Moorfläche.. Viele dieser Flächen werden nicht als Wiese oder Weide genutzt, sondern lediglich gemulcht, um die Grünlandprämie dafür zu bekommen.
Was für eine Bedeutung haben erfolgreiche Moorschutz- und Renaturierungsprojekte für die Klimaanpassung?
Wojatschke: Erst einmal ist es wichtig zu wissen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Menge der Emissionen aus Mooren und dem Wasserstand gibt. Wenn der Wasserstand ungefähr in Flur ist, also so, wie er auch in naturnahen Mooren wäre, dann sind die Emissionen nahe Null. Bei den entwässerten Mooren kann man sagen, dass im Durchschnitt pro Hektar 40 Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr rauskommen. Damit könnte man mit einem Mittelklassewagen zweimal die Erde umrunden. Wir haben schon innerhalb der Stadtgrenzen 472 Hektar. Dann kann man das mal hochrechnen und da kommen so lange Emissionen raus, solange Torf da ist. Wiedervernässung stoppt die Freisetzung von CO2 sofort und mit einer entsprechenden Vorgehensweise kann man auch die Freisetzung von Methan mindern.
Deswegen sind Moorschutz- und Renaturierungsprojekte relevant. Sie liefern auch Daten für die Grundlagenforschung. Vor allem bei der Wasserverfügbarkeit zeigen aktuelle Projekte, worauf es ankommt. In Deutschland ist es längst nicht mehr so, dass an allen Orten genug Wasser vorhanden ist, um die alle Moore wieder zu vernässen. Im Moment wird aus allen Mooren durch Schöpftechnik Wasser abgepumpt. Das Wasser wäre also eigentlich in der Landschaft vorhanden Es gibt da aber auch Orte, gerade auch in Brandenburg, die jetzt schon so trocken sind, dass es nicht reicht, um alle Moore wieder zu vernässen. Was man noch davon lernen kann, ist natürlich, dass die jetzigen Genehmigungsverfahren wahnsinnig komplex sind. Und da gibt es widersprüchliche Gesetze. Es wird auch dran gearbeitet, den gesetzlichen Rahmen anzupassen und Moorwiedervernässung zu beschleunigen . Beispielsweise soll das Bundesbodenschutzgesetz überarbeitet werden, aber das dauert.
Was ist Torf?
Unter Torf versteht man abgestorbene Pflanzenreste, die durch Luftabschluss unter Wasser nicht vollständig verrottet sind. Durch jahrhundertelange Ablagerung in Senken entsteht so langsam ein Moor. Der Kohlenstoff, der in den Pflanzenresten enthalten ist, wird im Moor gebunden. Sobald das Moor trockengelegt wird, reagiert der Kohlenstoff mit Sauerstoff aus der Luft und wird als CO2 freigesetzt. Der Torf „verschwindet“.
Was ist Wiedervernässung?
Unter Wiedervernässung versteht man die Anhebung des Wasserstands in Mooren. Moore enthalten Torfschichten, die wiederum große Mengen an Kohlenstoff beinhalten. Bei einer Trockenlegung werden Treibhausgase freigesetzt. Wiedervernässung zählt zu den naturbasierten Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen. Dies umfasst verschiedene Maßnahmen wie das Aufstauen von Gräben und die Schaffung von Feuchtgebieten.
Wie kann man Moore wieder vernässen? Welche Techniken kommen zum Einsatz?
Wojatschke: Man hört, salopp gesagt einfach auf, Wasser daraus abzupumpen. Dann vernässt sich das Moor wieder selbst. Allerdings sind viele offene Wasserflächen nicht zwingend erwünscht, da daraus Methan freigesetzt werden kann. Hier greifen gute Planung und hydrologische Berechnungen, wie das Moor gestaut werden kann. Oftmals reicht es für die Wiedervernässung, dass vorhandene Staubauwerke geschlossen werden. Machbarkeitsstudien sind das Mittel der Wahl, denn es gibt einiges zu bedenken. Die Nutzung der Fläche nach der Wasserstandsanhebung ist ein wichtiges Kriterium. Landwirte und Landwirtinnen haben des Öfteren Bedenken, dass sie nichts mehr ernten können. Andere Möglichkeiten aufzuzeigen ist wichtig. Unter dem Stichwort Paludikultur gibt es alternative Nutzungsoptionen, die sich noch im Pilotstadium befinden. Fotovoltaikanlagen auf Moor sind ebenfalls ein Thema. Hier gibt es meines Wissens erst wenige Projekte in Deutschland.
Warum werden die Auswirkungen der Moore auf den Klimaschutz unterschätzt?
Wojatschke: Es ist einfach ein Nischenthema. Moore bedecken zwar nur drei Prozent der weltweiten Fläche, speichern dafür aber mehr als doppelt soviel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen. Bevor die Klimawirkung der Trockenlegung von Mooren bekannt wurde hat das Thema Moor wenige interessiert. Da wird man schon mal schräg angeguckt, wenn es heißt, dass die Moore wieder vernässt werden sollen. Insgesamt ist es eine große Aufgabe, die Klimaziele zu erreichen. Moore sind ein Teil des Ganzen.
Welche Möglichkeiten gibt es denn, um die Zusammenarbeit zu stärken? Also sei es mit Eigentümern, Landwirten oder Bürgern?
Wojatschke: Es gibt immer mehr Vernetzungsplattformen, auf denen sich einfach Interessenten treffen können, also sowohl Eigentümer als auch Leute, die zum Beispiel Biomasse aus Paludikultur kaufen möchten oder die Bäche herstellen wollen.
Direkt in Greifswald haben wir noch etwas Besonderes, und zwar die Greifswalder Agrarinitiative (gai-ev.de). Das ist ein Zusammenschluss der größeren Landeigentümer der Stadt und der Universität. Außerdem sind da alle unsere Pächter und Pächterinnen Mitglied. Dabei haben wir uns auf die Fahne geschrieben ein Konzept zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln einzuführen. Jeder Betrieb muss außerdem ein Betriebsnaturschutzkonzept haben. In den letzten Jahren ist ein Netzwerk der Landwirte gewachsen und da wird auch mal noch mehr über den Tellerrand geguckt, was denn die anderen machen. Ich habe im Oktober positives Feedback von den Landwirtinnen und Landwirten der Moorflächen bekommen, als ich ihnen die Moorschutzstrategie vorgestellt habe. Eine langfristige Perspektive und finanzielles Auskommen bei der Nutzung der wiedervernässten Moorflächen sind dabei die wichtigsten Wünsche der Landwirte und Landwirtinnen.
Der nächste Flaschenhals wird sein, dass es zu wenigeFachkräfte gibt. Moorwiedervernässungsprojekte umzusetzen, sowohl in Behörden als auch in den ganzen Planungsbüros – da fehlen einfach Leute, die sich damit auskennen. Hier in Greifswald befasst sich die Succow-Stiftung in dem Projekt „MoKKa“ Succow Stiftung | Deutschland: MoKKa damit, Moor, Klima und Bildung auf allen Ebenen vom Kindergarten über die Studierenden bis hin zum Mitarbeitenden der Kommunen zu verbinden. Jetzt soll auch bald ein Projekt der Bundesregierung kommen, dass ebenfalls an der Ausbildung von Fachleuten ansetzt. Und zwar soll es hier ein Trainee-Programm für Absolventen und Absolventinnen geben, in dem sie verschiedene Institutionen kennenlernen, die an der Moorwiedervernässung beteiligt sind.
Welche weiteren Maßnahmen können in Kraft treten?
Wojatschke: Da Moorwiedervernässung und Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, könnte man mit Zertifikaten arbeiten. Dadurch würde die Leistung der Emissionseinsparung gewürdigt und honoriert werden. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits ein Instrument, dass nennt sich Moor Futures®. Das ist ein Wertpapier, wo wirklich Flächen vernässt wurden und man dann Anteilsscheine kaufen kann. Die CO2-Bepreisung ist ja immer mal wieder ein Thema, und das wäre zum Beispiel der Riesenanreiz, Moore ganz schnell wieder zu vernässen. Wenn man die Pauschale als Eigentümer zahlen müsste, also wenn man für das Emittieren zahlen müsste, dann wär das wohl ein sehr entscheidender Faktor, um trockengelegte Moore sehr schnell wiederzuvernässen. Im Moment ist es ja so, dass man für die Einsparung Geld bekommt.
Das Interview führten Sarah Janczura und Eileen Knoßalla.