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Mein VDI
Circular Economy

Aus Abfall wird Rohstoff

Bild: BAZA Production/Shutterstock.com

Der Umgang mit Kunststoff ist im Wandel. Weg von der einmaligen Verwendung, hin zu einer fortwährenden Nutzung im Kreislauf – vom Müll und Abfall zum zirkulären Rohstoff. Nur so können Ressourceneffizienz und gleichzeitig die Reduktion von CO2-Emissionen erreichbar werden. Hierfür braucht es enge und neue Kooperationen sämtlicher Kreislaufteilnehmer und eine Wertschöpfung, die sich auf den Einsatz von Rezyklaten ausrichtet. 

Der VDI hatte sich zum Ziel gesetzt, mit einem breiten und lösungsorientierten Dialog diesen Prozess voranzutreiben. Teil dessen ist der VDI Round Table Circular Economy, und das White Paper „Circular Economy für Kunststoffe neu denken – Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann“.

Die Teilnehmer des Round Table Prof. Dr. Martin Faulstich, Herwart Wilms und Dr. Peter Orth diskutieren die Thematik mit besonderem Blick auf die Entsorgungs- und Recyclingbranche.

Kreislaufschließung

Orth: Herr Wilms, Ihr Haus ist eines der führenden Entsorgungsunternehmen in Deutschland und in Europa. Ihr Geschäft ist der Abfall. Ist Kunststoffabfall aus Ihrer Sicht Abfall oder Ressource?

Wilms: Angesichts der dringend erforderlichen Reduktion von CO2-Emissionen und unserer Energie- und Rohstoffabhängigkeit wird Abfall immer mehr zur Ressource. Getrieben durch die gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und auf europäischer Ebene steigt im Moment die Nachfrage nach Rezyklaten. In unserem Unternehmen bewegen wir pro Jahr ca. 550.000 Tonnen Kunststoffe wieder zurück in den Kreislauf.

Der Kunststoffabfall hierfür stammt zum einen aus der haushaltsnahen Sammlung über den gelben Sack und die gelbe Tonne (PCR – Post-Consumer Rezyklat), zum anderen aus Produktionsabfällen der Industrie (PIR – Post-Industrial Rezyklat). Wir kommen aus der Abfallentsorgung und sehen daher klar, welche Aktivitäten im Kreislauf erforderlich sind, um zu einem besseren Rohstoff zu kommen. Die Kreislaufwirtschaft beginnt nicht beim Abfall, sie beginnt beim Produkt.

Orth: Ihre Geschäftsgrundlage war bisher der Abfall. Was bedeutet es für Ihr Unternehmen, wenn dieser Unternehmenszweck seine Gestalt und seine Bedeutung ändert?

Wilms: Wenn heute über Kunststoffabfälle gesprochen wird, reden alle über die Verschmutzung der Weltmeere, die in erster Linie vom Fehlen der Sammelsysteme in Asien herrührt. Um Abfalleintrag in die Umwelt zu vermeiden, ist die haushaltsnahe Erfassung der Schlüssel zum Erfolg. Unser Ziel ist es, die Abfallsammlung weiter zu optimieren, enthaltene Wertstoffe einer stofflichen Verwertung zuzuführen und nicht recyclingfähige Reststoffe thermisch zu verwerten. 

Orth: Herr Faulstich, wo stehen wir heute in Deutschland und in Europa im Hinblick auf die zwingend erforderliche Schließung von Kreisläufen, um zu einer echten Kreislaufwirtschaft zu kommen?

VDI-Podcast


Im Kreislauf denken:

Ist eine Circular Economy für Kunststoffe machbar?

Faulstich: Der Punkt Kreislaufschließung ist für alle Abfallfraktionen relevant. Deutschland erweckt nach außen den Eindruck, wir seien Recyclingweltmeister, die Sammel- und Verwertungsquoten sind auch wirklich hoch. Wenn wir aber auf den Anfang der Wertschöpfungskette schauen, auf die Produktherstellung, bei der Primärrohstoffe durch Recyclingrohstoffe ersetzt werden sollen, liegen wir in Europa mit einer Substitutionsquote von etwa 14 % viel zu niedrig. Dabei müssen die einzelnen Stoffströme selbstverständlich differenziert betrachtet werden. Mehr als 80 % aller Produkte bestehen nach wie vor aus Primärrohstoffen, es besteht also ein immenses Optimierungspotenzial.

Orth: Woran liegt das aus Ihrer Sicht, wie können wir Änderungen herbeiführen?

Faulstich: Wir haben in den letzten 30 bis 40 Jahren in vielen großen Städten in Deutschland die getrennte Sammlung eingeführt. Aber wir sind das System nicht grundsätzlich angegangen, wir haben immer nur am Ende des Produktlebens – beim Abfall – angesetzt.

Auf der IFAT 2022 wurden erstmals Änderungen sichtbar, da neben den Abfallentsorgern und Abfallwirtschaftsunternehmen auch einige Kunststoffhersteller präsent waren, und das ist gut so. Das endliche Rohöl wird zwar zu 90 % in Kraftwerken, Autos und Flugzeugen verbrannt und endet als CO2 in der Atmosphäre. Diese Bereiche werden aber bald hoffentlich klimaneutral betrieben. Dann ist der Anteil der Kunststoffabfälle, der zukünftig noch verbrannt wird, eine signifikante CO2-Quelle. Um das zu ändern, müssen wir beim Produktdesign ansetzen, bei Demontagefähigkeit und Recyclingfähigkeit. Und wir müssen den Rezyklateinsatz in der Produktion deutlich steigern, sonst wird das Abfallwirtschaftssystem noch über Jahrzehnte so bleiben, wie es heute ist. 

Rohstoffwende

Orth: Herr Wilms, wenn sich die Entsorger von heute in Zukunft verstärkt als Rohstofflieferanten etablieren wollen, wären Sie in der Lage, den Kunststofferzeugern die erforderlichen Qualitäten und Quantitäten und eine langfristige Verfügbarkeit zu gewährleisten?
 
Wilms: Die Transformation der gesamten Industrie ist im Gange – womit sich Chancen und Risiken ergeben. Wie bekommen wir „das Henne-Ei-Problem“ gelöst? Einerseits steht einer wachsenden Nachfrage nach Rezyklat ein geringes Angebot gegenüber – andererseits stellt sich die Frage, ob die geringen Liefermengen aus der mangelnden Quantität und Qualität des Rohstoffes Abfall resultieren. Daher ist enge Kooperation aller am Kreislauf beteiligten Akteure – wie an unserem Runden Tisch – dringend erforderlich.

Rezyklateinsatzquoten


Orth: Herr Faulstich, werden wir aus Ihrer Sicht in Zukunft in der Lage sein, mit den aufbereiteten Abfällen aus der Kreislaufwirtschaft den Bedarf des Marktes auf Dauer zu decken?

Faulstich: Derzeit ist dies objektiv nicht der Fall. Wenn der gesamte Markt mit Rezyklaten versorgt werden soll, wird dies durch Selbstverpflichtungen nicht möglich sein. Als langjähriger Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen habe ich immer gegen zu viel Feinsteuerung plädiert, wir benötigen aus meiner Sicht eine vernünftige Globalsteuerung, wofür ich Substitutionsquoten als ein sinnvolles Instrument ansehe. Sie bieten sowohl den Kunststoffherstellern als auch den Produktherstellern die erforderliche Planungssicherheit, um zum Beispiel durch Optimierung von Sammelsystemen und Aufbereitungsanlagen die geforderten Mengen und Qualitäten sicherzustellen. Geht es an den Anfang des Kreislaufes, an das Produkt und die nötigen Rohstoffqualitäten, so darf es keinen Qualitätsunterschied zwischen Primärrohstoffen und Recylingrohstoffen geben. Ausschlaggebend ist dann nicht die Materialherkunft, sondern nur noch die Menge und die Qualität. Das schaffen wir kostenmäßig nur, wenn wir andere rechtliche Anforderungen stellen. Mit Rezyklateinsatzquoten benötigen wir keine Sammel- und Verwertungsquoten mehr. Das Material wird so wichtig und so wertvoll sein, dass es im Land bleiben und fragwürdige Exporte  entfallen werden. Es wird einen Wettbewerb um diese Materialien geben, der eine globale und europäische Steuerung erfordert.

Orth: Das Werkzeug sollte also eine Rezyklateinsatzquote sein. Herr Faulstich, als Vorsitzender des SRU und der Ressourcenkommission am UBA haben Sie dies schon früher auf den Punkt gebracht. Welche Möglichkeiten sehen Sie, durch die Gestaltung von Rezyklateinsatzquoten die Entwicklung voranzutreiben?

Faulstich: Für die Kreislaufwirtschaft wünsche ich mir ein Rohstoff- oder Ressourcengesetz. Für die einzelnen Materialien, also für Kunststoffe oder Baustoffe sollten verbindliche Rezyklateinsatzquoten für definierte Zeitabschnitte vorgegeben und eng getaktet überprüft werden, wobei die Startwerte auf wissenschaftlicher Grundlage zu definieren und mit der Industrie abzustimmen sind. Die Steuerung kann über produkt- und polymerspezifische Rezyklateinsatzquoten erfolgen. Produktspezifische Quoten geben Rezyklateinsatzquoten für ein bestimmtes Produkt vor, während ein neuer Ansatz, der auch im White Paper des VDI festgehalten wird, eine polymerspezifische Substitutionsquote ist. Könnten bereits beim Kunststofferzeuger die Quoten kontinuierlich gesteigert werden, wären die Vorgaben für den Produkthersteller sekundär. Die Umsetzung müsste mindestens auf europäischer Ebene ansetzen, was im heutigen Rechtsrahmen möglich wäre. 

Lesen Sie das vollständige Interview ist in der Zeitschrift „Müll und Abfall“, Ausgabe Oktober 2022.

Das White Paper „Circular Economy für Kunststoffe neu denken“ können Sie kostenfrei als PDF herunterladen.

Zum Download 


Ansprechpartner im VDI:
Maximilian Stindt
Referent Public Affairs und Stakeholder Management
E-Mail: maximilian.stindt@vdi.de

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